Rechtsextremistische Erlebniswelt: Musik und Kampfsport.

(November 2025)

Im subkulturell geprägten Rechtsextremismus stellen Musik- und Kampfsportveranstaltungen ein identitätsstiftendes Merkmal dar. Sie sind fester Bestandteil der nationalen und internationalen rechtsextremistischen Erlebniswelt und erfüllen vielseitige Funktionen. Sie stärken das Zusammengehörigkeitsgefühl und wirken damit stabilisierend und vernetzend für die subkulturelle rechtsextremistische Szene. Nicht zuletzt werden dadurch auch finanzielle Einnahmen erzielt.
Die Musik transportiert zudem rechtsextremistische Ideologiefragmente – geprägt von Rassismus, der Befürwortung von Gewalt gegen Ausländer, Antisemitismus und einer Ablehnung des demokratischen Systems – in ein breiteres Spektrum.
Musik und Musikveranstaltungen

Den Schwerpunkt der Aktivitäten der subkulturell geprägten rechtsextremistischen Szene bilden nach wie vor die Herstellung und Verbreitung von Musik und die Durchführung von Musikveranstaltungen.
Musik mit rechtsextremistischen Texten ist ein bedeutsames Medium, das gerade bei Jugendlichen Interesse für den Rechtsextremismus wecken kann. Selbst wenn Musik nicht alleine für den Einstieg Jugendlicher in die Szene ausschlaggebend ist, bietet sie die Möglichkeit eines niedrigschwelligen Zugangs. In den Liedtexten werden offen oder unterschwellig rechtsextremistische Feindbilder bedient sowie nationalistische, fremdenfeindliche und antisemitische Ideologiefragmente transportiert.
Musikveranstaltungen dienen darüber hinaus in erster Linie der Freizeitgestaltung, wobei bestehende Verbindungen gepflegt und das Zusammengehörigkeitsgefühl gestärkt werden. Grundsätzlich unterscheidet man bei rechtsextremistischen Musikveranstaltungen zwischen Konzerten, Liederabenden und sonstigen Musikveranstaltungen. Bei den sonstigen Veranstaltungen, die in früheren Jahren teilweise mehrere tausend Besucher anzogen, handelte es sich oftmals um kombinierte Redner- und Musikauftritte.

Seit 2020 fanden jedoch keine besucherstarken Großveranstaltungen mehr in Deutschland statt. Dies liegt insbesondere daran, dass seit Jahren behördliche Maßnahmen wie Verhinderungen oder Auflösungen gegen Musikveranstaltungen durchgeführt werden.
Diese gezielten Maßnahmen sowie das für die Veranstalter bestehende (wirtschaftliche) Risiko einer behördlichen Verhinderung haben entscheidend zum Rückgang des Veranstaltungsgeschehens in diesem Bereich beigetragen.
Live-Konzerte nehmen zwar für die Teilnehmer aufgrund des erlebbaren Gemeinschafts- und Zugehörigkeitsgefühls einen besonderen Stellenwert ein.
Die Zahl der Konzerte hat sich jedoch – auch als Auswirkung behördlicher Maßnahmen der jüngeren Vergangenheit – innerhalb von zehn Jahren in etwa halbiert.
So fanden aktuell keine großen und öffentlichkeitswirksamen Veranstaltungen mehr statt.
Ebenso war die durchschnittliche Besucherzahl der Konzerte stark rückläufig. Weiterhin liegt der Schwerpunkt daher auf kleinen Veranstaltungen wie Liederabenden und Szenefeiern mit Livemusik.
Die Gesamtzahl der Musikveranstaltungen bewegt sich insgesamt nach wie vor auf einem hohen Niveau. Die rechtsextremistische Musikszene ist durch die große Zahl an Musikgruppen, Solo-Interpreten und Tonträgerveröffentlichungen weiterhin sehr aktiv und behält ihre besondere Bedeutung für die subkulturelle rechtsextremistische Szene. Deutsche rechtsextremistische Bands und Solo-Interpreten treten – auch aufgrund der behördlichen Maßnahmen – verstärkt bei Musikveranstaltungen im Ausland auf. In der jüngsten Vergangenheit kam es jedoch zu etlichen behördlichen Ausreiseverhinderungen deutscher rechtsextremistischer Musiker, die seitdem bemüht sind, diese Maßnahmen durch konspiratives Verhalten zu umgehen.
Kampfsport und Kampfsportveranstaltungen
Vergleichbar identitätsstiftend mit dem Konsum von rechtsextremistischer Musik und dem Besuch von entsprechenden Musikveranstaltungen haben sich der Kampfsport und große Kampfsportveranstaltungen zu einem zunehmenden Standbein der rechtsextremistischen Erlebniskultur entwickelt.

Kampfsport verbindet innerhalb der rechtsextremistischen Szene Personen des neonazistischen Spektrums, Mitglieder rechtsextremistischer Parteien wie "Der III. Weg" und "DIE RECHTE" aber auch Hooligans und Rocker, die rechtsextremistische Einstellungsmuster teilen, ungeachtet ihrer organisatorischen Einbindung und eventuell bestehender Konflikte und Rivalitäten.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet seit 2017 einen signifikanten Anstieg von rechtsextremistischen Kampfsportturnieren, Kampfsporttrainings und sog. Selbstverteidigungsseminaren in lokalen beziehungsweise regionalen neonazistischen Szenen, zudem eine gehäufte Gründung von Kampfsportgruppierungen. Dabei sind insbesondere die Kampfsportturniere mittlerweile professionell organisiert und genießen eine hohe Popularität innerhalb der gewaltorientierten rechtsextremistischen Szene.
Rekrutierung und internationale Vernetzung
Im Nachgang zur europäischen Flüchtlingskrise proklamierten führende Protagonisten der rechtsextremistischen Kampfsportszene verstärkt die Forderung nach Wehrhaftigkeit und die angebliche Notwendigkeit des „Schutzes von Familie und Heimat“ sowie die Vorbereitung auf einen nicht näher konkretisierten „Tag X“. So konnten vermehrt rechtsextremistische Hooligans, Rocker und junge sportaffine Rechtsextremisten für Kampfsporttrainings und rechtsextremistische Kampfsportveranstaltungen gewonnen werden. Die Veranstaltungen, auf denen sich die rechtsextremistische Kampfsportler aus mehreren europäischen Ländern, inklusive der Ukraine und Russland sowie aus den USA regelmäßig zusammenfinden, dienen somit nicht zuletzt auch der weiteren Rekrutierung, stärken das europäische Kampfsportnetzwerk und dienen den Organisatoren als Einnahmequelle.

Aus denselben Gründen nehmen rechtsextremistische Kampfsportler aus Deutschland auch an einschlägigen Kampfsportturnieren u.a. in Frankreich, Italien, Griechenland, Bulgarien und in der Ukraine teil. Dabei sind insbesondere solche Kampfsportarten für die rechtsextremistische Szene von Interesse, die einer realen Auseinandersetzung („Straßenkampf“) am nächsten kommen. Den höchsten Zuspruch verzeichnen dabei das aus Europa stammende Boxen und die ostasiatischen Kampfstile Kick- und Thaiboxen.
Das aus verschiedenen Kampfsportdisziplinen bestehende „Mixed Martial Arts“ (MMA) nimmt noch eine eher untergeordnete Rolle in der rechtsextremistischen Kampfsportszene in Deutschland ein; in den osteuropäischen Ländern ist MMA dagegen weitaus populärer. Bei den einschlägigen Turnieren in Deutschland werden bisher nur wenige MMA-Kämpfe ausgetragen, da MMA ein intensiveres und längerfristiges Training in verschiedenen Kampfsportdisziplinen voraussetzt.
Mixed-Martial-Arts (MMA) entstand in den 1990er Jahren im Rahmen der „Ultimate Fighting Championship“ und setzt sich aus einer Reihe von Tritt-, Schlag- und Hebeltechniken (aus verschiedenen Kampfsportarten) zusammen, welche im Stand als auch auf dem Boden eingesetzt werden können.
Kampfsportturniere in Deutschland
Mit den Formaten „TIWAZ - Kampf der freien Männer“ (TIWAZ) und „Kampf der Nibelungen“ (KdN) werden in Deutschland zwei bundesweit bedeutsame Kampfsportturniere innerhalb des rechtsextremistischen Spektrums veranstaltet.
Der Name „TIWAZ“ bezieht sich auf „Tyr“, den germanischen Gott des Kampfes. Ihm ist die Tiwaz-Rune des nordischen Runenalphabets zugeordnet.
Die größte europäische organisationsübergreifende Kampfsportveranstaltung in der rechtsextremistischen Szene ist der „Kampf der Nibelungen“ (KdN), der erstmalig im Jahr 2013 unter dem Namen "Ring der Nibelungen" von Mitgliedern der „Hammerskins“ aus dem südwestdeutschen Raum ins Leben gerufen wurde. Seit dem Jahr 2015 finden die Veranstaltungen unter dem Format KdN statt. Neben führenden Neonazis aus Dortmund sind aktuell auch „Hammerskin“-Funktionäre für die Organisation und Durchführung der Veranstaltungen verantwortlich beziehungsweise darin eingebunden.
Die „Hammerskins“ wurden Ende der 1980er Jahre in den USA gegründet. Die den weltweit agierenden „Hammerskins" angehörende Gruppierung ist die einzig verbliebene bundesweit aktive Skinhead-Organisation.

Aufgrund der ideologisch aufgeladenen Bedeutung und besonderen Förderung des Boxsports im historischen Nationalsozialismus sowie der damit in Zusammenhang gebrachten und überhöht dargestellten Tugenden wie Mut, Härte, Disziplin und Tapferkeit, knüpft Kampfsport innerhalb des rechtsextremistischen Spektrums auch ideologisch an das nationalsozialistische Weltbild des Dritten Reiches an. So lehnte sich z.B. der Aufruf des TIWAZ für die Kämpferanmeldung des Turniers am 8. Juni 2019 deutlich an den NS-Sprachgebrauch an:
„Zum zweiten Mal rufen volkstreue Deutsche aus Sachsen die eiserne nationale Jugend in den Ring: Folge auch du dem Ruf der TIWAZ-Rune – Der Rune des Kriegers und seines Kampfes gegen das begrenzte ‚Ich‘! Wachse über dich hinaus, forme deinen Körper und deinen Geist! Im Leben wird dir nichts geschenkt. Überwinde die Schwäche und die Angst in dir, überwinde den Menschen und werde zum Übermensch!“
Der KdN bringt dagegen stärker seine offene Ablehnung des demokratischen Systems zum Ausdruck und sieht seine Kämpfer als Vorbilder und Gegensatz zum herrschenden politischen „System der Heuchler, Versager und Schwächlinge.“
Körperliche Ertüchtigung, Wehrhaftigkeit und Lifestyle

Dass es bei den rechtsextremistischen Kampfsportturnieren nicht in erster Linie um den sportlichen Wettkampf geht, sondern um die körperliche Ertüchtigung und Wehrhaftigkeit der Szene, wird beispielhaft in einem Artikel über den am 14. Oktober 2017 in Kirchhundem (Nordrhein-Westfalen) stattgefundenen „Kampf der Nibelungen“ in der neonazistischen Zeitschrift „N.S. Heute“ deutlich. Die Organisatoren des Kampfsportturniers, an dem rund 500 Zuschauer und Kämpfer teilnahmen, äußerten sich hier wie folgt: „In der heutigen Zeit ist es wichtig, Kampfsport zu betreiben, denn die Zeiten werden härter für uns. Wir müssen bei uns selbst eine Wehrhaftigkeit voraussetzen.“
Auch der Ringsprecher unterstreicht den rassistischen Tenor mit seiner Aussage: „Wo sonst kann man auf Kampfsportveranstaltungen in Deutschland gehen, wo nur weiße Menschen gegeneinander antreten? Das ist nahezu ausgeschlossen, sowas gibt es nur hier.“
Abseits des Trainings und der Wettkämpfe wird eine gesunde Lebensweise propagiert, wobei eine zunehmende Popularität des sog. NS-Straight-Edge-Lifestyles zu beobachten ist. Durch das Symbol X.X.X. tragen die Befürworter des rechtsextremistischen "Straight Edge" ihren bewussten Verzicht auf Drogen jedweder Art, einer zumindest zeitweise veganen Ernährungsform und einem körperlichen Training (Kampf, Kraft- und/oder Ausdauer-/Extremsport) gerne in Form von Tattoos, in Profilen sozialer Netzwerke oder als Aufdruck von Bekleidungsartikeln nach außen.
Straight-Edge stammt aus der Punk-Szene der 1980-er Jahre und sollte eine Gegenbewegung zu den ausufernden Alkohol- und Drogenexzessen der Jugendkultur darstellen. Im Kern ging es um den Verzicht auf Alkohol und sonstige Drogen sowie auf promiskuitives Verhalten. Das Symbol der Bewegung ist nach wie vor ein "X", welches zum damaligen Zeitpunkt minderjährigen Besuchern von Bars und Konzerten in den USA auf den Handrücken aufgemalt wurde. Damit sollte sichergestellt werden, dass ihnen kein Alkohol ausgeschenkt wurde.
Behördlicher Umgang mit Kampfsportveranstaltungen
Nachdem der KdN in früheren Jahren stets konspirativ organisiert wurde, meldeten die Veranstalter das Turnier im Jahr 2018 erstmals offiziell an und mobilisierten für den im Vorfeld bekannten Veranstaltungsort im ostsächsischen Ostritz. Rund 850 Rechtsextremisten aus dem gesamten Bundesgebiet sowie unter anderem aus Bulgarien, Frankreich, Griechenland, Russland, der Ukraine und den USA nahmen an der Veranstaltung teil. In der Szene war die Veranstaltung wegen ihrer professionellen Organisation und Durchführung auf großen Anklang gestoßen.
Im Oktober 2019 wurde das geplante rechtsextremistische Kampfsportturnier „Kampf der Nibelungen“ in Ostritz (Sachsen) erstmals durch die zuständigen Polizei- und Ordnungsbehörden in Sachsen verboten.
Die Stadt Ostritz untersagte die Durchführung der Veranstaltung mit der Begründung, dass von ihr eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgehe. Das Bundesamt für Verfassungsschutz hatte in enger Kooperation mit den Polizeibehörden und dem Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) Sachsen unter anderem mit einem Behördenzeugnis das Verbot der Veranstaltung durch die Stadtverwaltung Ostritz maßgeblich unterstützt.

Im Jahr 2020 wurde der „Kampf der Nibelungen“ aufgrund der Einschränkungen der Corona-Pandemie zunächst als Live-Stream und später als Online-Stream ohne Zuschauer für den 10. Oktober 2020 angekündigt. Wegen eines möglichen erneuten Veranstaltungsverbots wie im Oktober 2019 erfolgte die Organisation der realweltlichen Veranstaltung seitens der Verantwortlichen konspirativ.
Bei dem Online-Stream am 10. Oktober 2020 konnten die Veranstalter dann lediglich sechs aktuelle Kämpfe und zwei Mitschnitte von Kämpfen aus den Vorjahren in einer insgesamt zweistündigen Sendung auf der eigenen Website zeigen. Sie blieben damit weit unter ihrer Ankündigung von 15 Kämpfen. Auch hinsichtlich der Professionalität des Streams und der Rahmenbedingungen der gezeigten Kämpfe mussten die Veranstalter deutliche Abstriche machen.
Dass lediglich sechs aktuelle Kämpfe gezeigt werden konnten, resultierte vor allem aus dem auf Verfassungsschutzerkenntnissen basierenden polizeilichen Verbot und der anschließenden Auflösung einer KdN-Veranstaltung am 26. September 2020 in Magdeburg (Sachsen-Anhalt), bei der Material für den Stream hätte aufgezeichnet werden sollen. Zum Zeitpunkt der Auflösung waren bereits der Boxring und ein Verkaufsstand aufgebaut sowie Licht- und Videotechnik installiert. Kämpfe waren aber noch nicht ausgetragen worden. Insgesamt wurden bei den Maßnahmen die Identitäten von 95 Personen aus dem gesamten Bundesgebiet und dem Ausland festgestellt sowie der Boxring zur Unterbindung der Durchführung der Kampfsportveranstaltung beschlagnahmt. Im Nachgang zu dem Verbot gelang es den Veranstaltern, kurzfristig fünf Kämpfe in einem in rechtsextremistischen Kreisen bekannten Kampfsportverein im thüringischen Schmölln zu improvisieren. Zwar konnte ein weiterer Versuch gut eine Woche später, Kämpfe für den Online-Stream aufzuzeichnen, nicht unterbunden werden, jedoch konnte durch polizeiliche Maßnahmen auf Basis von Erkenntnissen der Verfassungsschutzbehörden das Videomaterial weitgehend sichergestellt und eine Verwendung im Stream verhindert werden.
Wenngleich die Veranstalter letztlich nicht daran gehindert werden konnten, einen Online-Stream ins Netz zu stellen, haben die Maßnahmen der Sicherheitsbehörden die Aktivitäten der KdN-Verantwortlichen einmal mehr deutlich behindert und massiv eingeschränkt. In jedem Fall ist der rechtsextremistischen Kampfsportszene verdeutlicht worden, dass die Sicherheitsbehörden im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten konsequent gegen die Durchführung der Veranstaltung vorgehen und dabei eng zusammenarbeiten.