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Begriff und Erscheinungsformen.

Die Aufnahme zeigt ein Plakat, das auf einen Mast geklebt ist, mit der Aufschrift "Die ganze Welt hasst die Polizei"

Linksextremismus ist ein Sammelbegriff für alle gegen das Prinzip der freiheitlichen demokratischen Grundordnung gerichteten Bestrebungen, die auf einer Verabsolutierung der Werte von Freiheit und (sozialer) Gleichheit beruhen, wie sie sich insbesondere in den Ideen von Anarchismus und Kommunismus ausdrücken.

Linksextremistische Zielsetzung

Linksextremisten wollen die bestehende Staats- und Gesellschaftsordnung und damit die freiheitliche demokratische Grundordnung beseitigen. An deren Stelle soll ein kommunistisches System beziehungsweise eine „herrschaftsfreie“, anarchistische Gesellschaft treten – je nach ideologischer Ausrichtung mit dem Sozialismus als Übergangsphase.

Einig sind sich Linksextremisten in der Notwendigkeit, den „Kapitalismus“ zu überwinden, von ihnen verstanden als untrennbare Einheit von marktwirtschaftlicher Eigentumsordnung und demokratischem Rechtsstaat, welche allein der Erhaltung von Ausbeutungs- und Unterdrückungsverhältnissen diene. So zielen Linksextremisten immer auch gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung (fdGo), wenn sie den „Kapitalismus“ bekämpfen.

Die notwendige Überwindung des „Kapitalismus“ kann aus Sicht von Linksextremisten nicht durch politische Reformen, sondern nur durch einen Umsturz der bisherigen Staats- und Gesellschaftsordnung erfolgen. Hierzu sind Linksextremisten grundsätzlich bereit, Gewalt einzusetzen.

Linksextremistische Strukturen

Mit Marxismus und Anarchismus gibt es im Linksextremismus zwei miteinander unvereinbare Ideologiefamilien. Auch sonst ist für die linksextremistische Szene ihre ausgeprägte Heterogenität charakteristisch, die sich im Hinblick auf die verschiedenen ideologischen Ausprägungen, den Organisationsgrad, die bevorzugten Aktionsformen sowie das Verhältnis zur Gewalt zeigt. Anhand der Einstellung zur Frage, ob Gewalt bereits in der Gegenwart legitimes Mittel zur Durchsetzung politischer Ziele sei oder erst in einer noch fernen „revolutionären Situation“, lässt sich die Szene in gewaltorientierte und nicht gewaltorientierte Linksextremisten unterteilen.

Etwa 11.200 Linksextremisten in Deutschland sind als gewaltorientiert einzustufen. Zu dieser Gruppe zählen vor allem Autonome, Anarchisten sowie ein kleiner Teil des dogmatischen Spektrums.

Autonome

dpa

Die etwa 8.600 Autonomen bilden die größte Gruppe im gewaltorientierten Linksextremismus. Trotz ihrer ideologischen, strategischen und organisatorischen Verschiedenheit teilen sie eine inhaltliche Grundannahme: Das Individuum und seine Selbstverwirklichung stehen im Mittelpunkt des politischen Handelns. Jede Form der Fremdbestimmung lehnen sie ab. Alle Staats- und Herrschaftsformen werden als autoritär erachtet und sollen zugunsten einer herrschaftsfreien Ordnung überwunden werden.

Den autonomen Linksextremismus prägt ein ambivalentes Verhältnis zu festen Gruppenstrukturen. Aus der Ablehnung jeder Form von Fremdbestimmung resultiert eine Abneigung gegenüber Zusammenschlüssen und gefestigten Strukturen. Gleichzeitig können die eigene politische Schlagkraft und der effektive Schutz vor politischen Kontrahenten nur durch ein Mindestmaß an Koordinierung sicher-gestellt werden. Daher schließen sich autonome Linksextremisten aus pragmatischen Überlegungen heraus zu unterschiedlich großen Gruppen zusammen und gehen Bündnisse ein. Viele Autonome bevorzugen aber unverbindliche Strukturen und bilden deshalb auf persönlichen Beziehungen beruhende Kleingruppen.

Autonome Szenen bilden sich primär in Groß- und Universitätsstädten. Meist verfügen sie dort über einen zentralen Anlaufpunkt, um den herum sich Einzelpersonen, Kleingruppen und lokale Ableger überregionaler Strukturen formieren. Die größten Szenen befinden sich in Berlin, Hamburg und Leipzig (Sachsen).

In selbst geschaffenen „Freiräumen“ versuchen Autonome, alternative Lebensentwürfe zu verwirklichen. Damit gehen aus ihrer Sicht zwingend die Ablehnung und das Fernhalten staatlicher Ordnungsmacht einher. Durch die „Eroberung“ und Verteidigung von „Freiräumen“ sollen Teile des gesellschaftlichen Zusammenlebens der „kapitalistischen Verwertungslogik“ und staatlichen Einflüssen entzogen werden. Dafür besetzen Autonome leerstehende Häuser, gründen Wohngemeinschaften und genossenschaftliche Kleinbetriebe oder autonome Zentren, Läden und Einrichtungen. Diese verteidigen sie auch aggressiv gegen „Angriffe“ von außen.

Anarchisten

Anarchisten lehnen die Herrschaft von Menschen über andere Menschen ab. Das beinhaltet jede Form staatlicher Hoheitsgewalt, auch derjenigen innerhalb freiheitlicher Demokratien. Im Anarchismus gibt es verschiedene Strömungen, die sich mit Blick auf ihre Ideologie, Strategie, ihre Einstellung zu Gewalt oder durch ihren Organisationsgrad unterscheiden.

Organisationsfeindliche, stark gewaltorientierte Anarchisten wollen den demokratischen Rechtsstaat unmittelbar angreifen und gewaltsam zerschlagen. Die Übergänge zum autonomen Spektrum sind hier fließend.



Dogmatische Linksextremisten

Die Aufnahme zeigt eine Büste von Wladimir Iljitsch Lenin mit der Flagge der Sowjetunion im Hintergrund
Rendery / E+ / Getty Images

Dogmatische Linksextremisten streben eine sozialistische Staats- und Gesellschaftsform an, aus der später eine „klassenlose“ kommunistische Ordnung entstehen soll. Dabei befürwortet ein Teil von ihnen bereits heute den Einsatz von Gewalt oder schließt ihn zumindest nicht explizit aus.

Zu den gewaltorientierten dogmatischen Linksextremisten zählen auch die Antiimperialisten. Antiimperialisten beziehen sich auf die dogmatisch linksextremistische Ideologie des Marxismus-Leninismus, welche sie teilweise an aktuelle politische Parameter anpassen. Sie zielen primär über Agitation und Aktion auf den Aufbau der angestrebten revolutionären Bewegung. Dafür sind sie zunächst auch bereit, ideologische Tiefe zurückzustellen. Die vielfältigen Aktionsformen reichen von Aktivitäten in den sozialen Medien über Informationsveranstaltungen, Blockbildungen bei Demonstrationen bis hin zur Bereitschaft, Gewalt einzusetzen.

Die Mehrheit der dogmatischen Linksextremisten ist derzeit als nicht gewaltorientiert einzustufen. Dennoch zielen auch sie darauf ab, durch ihr Handeln eine revolutionäre Situation herbeizuführen. Traditionelle Marxisten-Leninisten wollen auf der ideologischen Grundlage der Thesen von Karl Marx und Friedrich Engels eine auf Liniendisziplin ausgerichtete kommunistische Partei aufbauen. Vertreter dieser Strömung sind beispielsweise die „Deutsche Kommunistische Partei“ (DKP), die „Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands“ (MLPD) oder die „Kommunistische Organisation“, die 2018 aus einer Abspaltung von der DKP und ihrer Jugendorganisation hervorging.

Trotzkisten verstehen den angestrebten revolutionären Prozess als permanente internationale Revolution unter Führung von Arbeiterräten. Aufgrund der ihnen immanenten organisatorischen Schwäche sind sie besonders häufig von internen Spaltungen betroffen. Diese versuchen sie durch den Griff nach anderen Strukturen auszugleichen. Offen oder verdeckt versuchen sie, Aktionsbündnisse, Kampagnen und Organisationen mit eigenen Kadern zu infiltrieren. Diese Strukturen sollen unter ihre Kontrolle gebracht oder zumindest ein Kern an trotzkistischen Kadern darin verankert werden. Ziel jener als Entrismus bezeichneten Unterwanderungsstrategie ist es, die schon organisierten Bündnisse und Bewegungen für den Aufbau einer revolutionären Massenbewegung zu instrumentalisieren. Trotzkistische Strukturen wie das Netzwerk „marx21“ agieren zum Beispiel im Bereich der Partei DIE LINKE und ringen darum, Einfluss auf den politischen Diskurs zu nehmen.

Die „Rote Hilfe e.V.“ (RH) ist mit rund 14.400 Mitgliedern und bundesweit rund 50 Ortsgruppen die größte und eine der wichtigsten Gruppierungen im deutschen Linksextremismus.

Die Mitgliederzahl der RH nimmt, wie bereits in den letzten Jahren, weiterhin zu. Primäres Betätigungsfeld der RH ist die Unterstützung linksextremistischer Straftäter sowohl im Strafverfahren als auch während der Haftzeit. Sie bietet ihnen politischen und sozialen Rückhalt und leistet juristische sowie finanzielle Unterstützung mit dem Ziel, das strafrechtliche Abschreckungspotenzial zu mindern.



Aktuelle Entwicklungen im Linksextremismus

Hohes Gefahrenniveau

Die Aufnahme zeigt ein antifaschistisches Graffiti auf einer Steinmauer
Photo by Markus Spiske on Unsplash

Die vom Linksextremismus ausgehenden Gefahren für die freiheitliche demokratische Grundordnung sind weiterhin hoch. Linksextremisten verüben in Deutschland nahezu täglich Straf- und Gewalttaten. Besonders im „antifaschistischen Kampf“, aber auch im Vorgehen gegen die Polizei weist linksextremistische Gewalt eine hohe Brutalität auf, verbunden mit einer äußerst gezielten und professionellen Umsetzung. Diverse Taten zeigen, dass Linksextremisten auch potenziell tödliche Verletzungen in Kauf nehmen. Trotz der zum Teil brutalen und hemmungslosen Gewaltausübung ist die Solidarität der Szene mit linksextremistischen Gewalttätern ungebrochen. Neben verbaler Unterstützung kann diese auch praktisch werden, zum Beispiel als Hilfe bei der Vorbereitung von Straftaten oder dabei, sich der Strafverfolgung zu entziehen sowie bei der Radikalisierung weiterer potenzieller Täter.

Darüber hinaus verursachen Linksextremisten durch Sabotagehandlungen, Sachbeschädigungen und Brandstiftungen jährlich Sachschäden in mehrstelliger Millionenhöhe und schaden damit dem Wirtschaftsstandort Deutschland. Angriffe auf Infrastrukturen, Kritische oder sonstige, treffen nicht nur Unternehmen. Zunehmend ist auch die Bevölkerung von Ausfällen und Beeinträchtigungen der Energie- und Telekommunikationsinfrastruktur oder des öffentlichen Personenverkehrs betroffen, die durch linksextremistische Anschläge verursacht werden.

Im Alltag ist linksextremistisches Handeln oftmals nicht sofort erkennbar. Über gesellschaftliche Debatten und Proteste, durch Gewerkschaftsarbeit oder Hilfsangebote im Alltag suchen Linksextremisten Anschluss an das demokratische Spektrum. Hier wollen sie ihre Positionen unterschwellig einfließen lassen, Personen indoktrinieren, neue Anhängerinnen und Anhänger gewinnen oder einen Personenkreis über die eigene Anhängerschaft hinaus radikalisieren. Linksextremisten agieren dabei grenzüberschreitend – nicht nur solidarisch, sondern auch bei der Begehung von Straftaten. Sie haben Kennverhältnisse und Vernetzungen auch in äußerst gewaltbereite bis terroristisch agierende linksextremistische Szenen im Ausland aufgebaut, wie zum Beispiel in Griechenland oder Italien, aber auch in Richtung von Terrororganisationen aus dem auslandsbezogenen Extremismus wie der „Arbeiterpartei Kurdistans“ (PKK). Hier erlernte Fähigkeiten im Umgang mit Waffen oder Sprengstoffen oder gemachte Gewalterfahrungen in Kampfgebieten im Ausland sind potenziell geeignet, zukünftig auch Auswirkungen in Deutschland zu entfalten.

Auch wenn hierzulande die Schwelle zum Linksterrorismus aktuell noch nicht überschritten ist, besteht eine hohe Gefahr für weitere schwere Gewalttaten gegen Personen. Zwar kam es hier in den letzten Jahren nicht zum gezielten Einsatz von Schusswaffen oder Sprengstoffen; Exekutivmaßnahmen haben aber gezeigt, dass Linksextremisten bei Bedarf Zugang auch zu diesen Tatmitteln haben. Bei ungehindertem Fortgang der Radikalisierung einzelner Personen oder Strukturen könnte in Deutschland ein neuer Linksterrorismus entstehen, der sich insbesondere gegen als solche ausgemachte „Faschisten“ richten dürfte, aber auch zu weiterer Gewalt gegen Staat und Polizei führen könnte.

Dogmatische Linksextremisten und ihre Jugendorganisationen wollen gezielt Jugendliche und junge Erwachsene anwerben und indoktrinieren. Überhaupt leistet auch der dogmatische Linksextremismus einen nicht unerheblichen Beitrag zu linksextremistischer Gewalt, sei es durch die Schaffung ideologischer Begründungszusammenhänge oder durch konkrete Unterstützungshandlungen im Umfeld. Vor allem wirken sie als geistige Wegbereiter daran mit, den Linksextremismus in all seinen Ausprägungen in Politik und Gesellschaft zu tragen.

Absehbar muss weiterhin mit einer Vielzahl von linksextremistischen Straftaten gerechnet werden, wobei sich die Gewalt vor allem gegen als solche ausgemachte „Faschisten“ und die Polizei richten dürfte. Aufgrund der vielfach verfügbaren Angriffsziele und einer oftmals vergleichsweise einfachen Tatumsetzung bei zugleich erheblichen Auswirkungen wird es wohl auch künftig zahlreiche Angriffe auf Unternehmen und Kritische oder sonstige Infrastrukturen geben, die mit beliebigen, im Kontext gerade aktuellen Begründungszusammenhängen verbunden werden. Bei all dem geht es Linksextremisten letztlich immer um eine Bekämpfung des politischen Gegners, des verhassten Staates und der freiheitlichen demokratischen Grundordnung insgesamt, die – gewaltsam – überwunden werden soll.

Beeinflussung demokratischer Diskurse

picture alliance / Andreas Franke | Andreas Franke

Linksextremisten greifen gezielt tagespolitisch bedeutsame Themen auf, um Einfluss auf gesellschaftliche Diskussionen und Prozesse zu nehmen. Linksextremistische Positionen sollen so in den gesamtgesellschaftlichen Kontext eingebettet und zivildemokratischer Protest um eine militante Komponente ergänzt werden. Im Kern geht es Linksextremisten dabei vor allem um die Delegitimierung des demokratischen Staates und seiner Institutionen. So wird der Staat fortwährend als „faschistisch“ und „rassistisch“, rechtmäßiges staatliches Handeln als „repressiv“ oder „Polizeigewalt“ diffamiert. Damit soll das Vertrauen in den Staat und seine Legitimation gezielt untergraben werden. So versuchen Linksextremisten beispielsweise das Thema Klimaschutz für ihre Anliegen zu instrumentalisieren, ebenso wie Debatten über den Nahostkonflikt (Palästinasolidarität), bezahlbaren Wohnraum (Antigentrifizierung), die militärisch angemessene Ausstattung der Bundeswehr und Waffenlieferungen an die Ukraine (Antimilitarismus), Rassismus in der Gesellschaft oder Migrationspolitik (Antirassismus).