
Mobilisierung und Radikalisierung durch das Internet

Angehörige und Sympathisanten der rechtsextremistischen Szene nutzen intensiv das Internet, um beispielsweise Kampagnen zu bewerben, für Veranstaltungen zu mobilisieren oder Aktionen zu planen. Eine zeitnahe und regelmäßige Berichterstattung und Dokumentation des gesamten Agitationsspektrums im Internet ist ein fester Bestandteil des Auftretens von Rechtsextremisten. Soziale Netzwerke, Kurznachrichtendienste oder Videoplattformen bilden dabei die zentralen Plattformen, auf denen sich die Szene bewegt, offen oder in geschlossenen Gruppen kommuniziert oder ihr rechtsextremistisches Gedankengut propagandistisch zu verbreiten versucht. Die Zahl der festgestellten Websites, Profile oder Portale unterliegt einem hohen Fluktuationsgrad. In Extremfällen reagieren die Administratoren von Profilen der rechtsextremistischen Szene auf Löschungen innerhalb von Stunden, indem sie beispielsweise an anderer Stelle oder unter einem ähnlichen Namen eine neue Internetpräsenz erstellen.
Die Vermittlung rechtsextremistischer Inhalte erfolgt durch eine gezielte Emotionalisierung von Sachverhalten und über das Schüren von Vorurteilen. Das Internet ermöglicht außerdem, leicht mit anderen bisher nicht rechtsextremistisch geprägten Personen in Kontakt zu treten und sie für die eigenen rechtsextremistischen Ansichten zu gewinnen und zu radikalisieren. Nicht zuletzt durch eine konsequentere Lösch- und Sperrpraxis von Internetdienstanbietern hat sich das Betätigungsfeld von sozialen Netzwerken auch auf Videostreamingdienste und Gamingplattformen erweitert.
Auffällig war im August 2018 die Intensität und Effektivität der Mobilisierung zu asylfeindlichen Demonstrationen in Chemnitz. Sie erfolgte nicht wie in Kandel (Rheinland-Pfalz) oder Cottbus (Brandenburg) Anfang des Jahres 2018 zeitversetzt, sondern bereits am Tag des Tötungsdelikts. Durch soziale Netzwerke erfolgte eine virale Verbreitung von Demonstrationsaufrufen. Eine Mobilisierung durch Rechtsextremisten fand bundesweit in den sozialen Medien statt und blieb nicht auf einzelne Spektren des Rechtsextremismus begrenzt; vielmehr einte das Thema die gesamte Szene. Wie schnell und breit die lokale Mobilisierung in Chemnitz schon am Tag der Tat erfolgte, zeigt der Aufruf auf der Facebook-Seite der rechtsextremistischen Hooligan-Gruppierung „Kaotic Chemnitz“, der bereits wenige Stunden nach der Gewalttat in sozialen Netzwerken kursierte.