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Eingangsstatement von BfV-Präsident Sinan Selen bei der öffentlichen Anhörung durch das PKGr

Datum 13.10.2025

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrter Herr Vorsitzender,
meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete,

die Ausführungen von Herrn Jäger und Frau Rosenberg erklären eindrücklich, warum in diesen Tagen die Formel

„…nicht im Krieg, aber auch nicht mehr im Frieden“

– häufig bemüht wird, um die Sicherheitslage in ein griffiges Gefühl zu übersetzen. Aus der Perspektive meines Dienstes kann ich diese Feststellung nur bestätigen!

  • Durch Drohnenflüge,
  • Störungen von GPS-Navigationssystemen
  • und Luftraumverletzungen durch russische Kampfjets kam es allein im September zu einer Vielzahl von Vorfällen, die den zivilen Luftverkehr in Europa stark beeinträchtigen.

Auch wenn die Aufklärung noch anhält, sind die Angriffsoptionen für einen hybriden Akteur im Luftraum deutlich geworden.

Russland ist zweifellos aggressiv, offensiv und zunehmend eskalativ. Seine Dienste realisieren beinahe in Gänze unsere Prognosen und bringen die Angriffsvektoren ihrer Toolbox breit gefächert zur Anwendung. Die erzielten Effekte sind

  • ein Austesten der Reaktion des Gegenspielers,
  • die unverfrorene Setzung von Show-of-Force-Botschaften
  • sowie eine spürbare Verunsicherung in der Zielfläche.

Der Angriffskrieg gegen die Ukraine und die Schwächung ihrer westlichen Unterstützerländer ist der Referenzrahmen, in dem Russland

  • opportunistisch agiert,
  • die Intensität seiner Operationen skaliert,
  • und seine revanchistischen Ziele forciert.

Und buchstäblich überschreitet Russland brandgefährliche Grenzen, insofern es als Hauptverursacher für die Vorbereitung und Umsetzung von Sabotageakten in Deutschland und weiteren europäischen Staaten gilt.

Fakt ist:

Es passiert!
Wir können es sehen!
Und wir dürfen es nicht zulassen!

Wir dürfen es nicht zulassen, weil Sicherheit und Souveränität aus Abschreckung und Wehrhaftigkeit resultieren.

Als Abwehrdienst ist es unsere klare und unmissverständliche Mission, den Angriffen effektiv entgegenzutreten!

Mit diesem Auftrag und Selbstverständnis begreifen wir unsere Struktur und Methodik in ständiger Transformation!

Denn es gilt, die Bedrohungslage zu bewältigen – und sie nicht allein zu beobachten!

Wir wollen Gefahren nicht nur beschreiben – sondern Sicherheit bewirken!

Dieses Ziel teilen wir mit unseren Partnerdiensten hier im Raum – weshalb unsere größten Erfolge stets im engen Zusammenschluss aller Fähigkeiten begründet lagen – und mehr denn je liegen werden!

Dieses Prinzip erheben wir auch intern zur Maxime, um jenseits starrer Organigramme in agilen Managementstrukturen agieren zu können; – denn nur interdisziplinär entsteht ein phänomenübergreifendes Lagebild.

Auf dieser Basis fokussieren wir uns auf Kernrisiken, um sie mit größtmöglichem Effekt zu bearbeiten und abzuwehren. Als zentrale Risiken betrachten wir nahezu gleichrangig

  • erstens, die multipolaren Bedrohungen durch fremde Mächte,
  • zweitens, den internationalen Terrorismus
  • sowie, drittens, unverändert den gewaltbereiten und aktionsorientierten Extremismus.

Sie gefährden alle in unterschiedlicher Ausprägung und Stoßrichtung

  • die Sicherheit der Bevölkerung,
  • das Vertrauen in die Demokratie
  • und die Stabilität der Bundesrepublik.

Entsprechend priorisieren wir für alle drei Hochrisiko-Felder die Früherkennung von Netzwerken sowie die Identifizierung der Hintermänner, um zusammen mit unseren Sicherheitspartnern Gefahren von außen und innen bereits im Frühstadium abzuwehren.

Über diese Schwerpunktsetzung hinweg bleibt weiterhin das gesamte legalistische Spektrum – wo sich die Vorfeldarbeit zum Extremismus und Terrorismus ereignet – wichtiger Bestandteil unserer Aufklärung.

Denn wir können es nicht oft genug betonen, dass nur eine ganzheitliche Betrachtung die komplexe Phänomenologie der Bedrohungslage ausreichend erfasst! Auch in dieser Anhörung haben wir bereits oft und umfassend

  • die Verschmelzung von analoger und digitaler Sphäre,
  • die Wechselwirkung zwischen den Phänomenbereichen,
  • den Einfluss internationaler Krisen
  • und das opportunistische Handeln der Akteure dargestellt.

Ein passendes Beispiel ist die Gefahrenlage im Zuge des Terrorangriffs der HAMAS gegen Israel, der sich letzte Woche das zweite Mal jährte. Seitdem verschafft der Konflikt in Nahost

  • Extremisten aus allen Spektren in Deutschland einen giftigen Nährboden für antisemitische Verschwörungstheorien und Feindseligkeiten,
  • befeuert Aufrufe zur Gewalt,
  • die Vernetzung extremistischer Gruppen
  • und hat bereits zu Anschlagsplänen gegen jüdische Einrichtungen geführt, die jedoch durch die Sicherheitsbehörden aufgedeckt werden konnten.

So jüngst geschehen durch die Festnahme von drei mutmaßlichen Auslandsoperateuren der palästinensischen Terrororganisation HAMAS in Berlin, zu der unser Dienst maßgeblich beigetragen hat.

Mit hoher Wahrscheinlichkeit konnten Anschläge mit Schusswaffen auf jüdische oder israelische Ziele in Deutschland vereitelt werden.

Genau dieser operativen Zielsetzung folgt unser methodischer Dreiklang aus Detektion, Disruption und Prävention!

Oder, – in plastischen Worten:

  • Gefahrenpotentiale erkennen,
  • die Bedrohung unterbinden
  • und mit gewonnenen Erkenntnissen die Präventionsarbeit aktualisieren.

Ich nenne wieder Beispiele:

  • Im Oktober des letzten Jahres konnte durch Maßnahmen des BfV ein Beschaffungsnetzwerk durchleuchtet und aufgedeckt werden. Der Geschäftsführer wird beschuldigt, als Teil eines internationalen Netzwerks maritime Technik für das russische Militär beschafft zu haben. Um das Risikobewusstsein in Wirtschaft und Wissenschaft zu stärken, sensibilisieren wir deutschlandweit zum Thema Proliferation und Sanktionsumgehung.

Ein anderes Beispiel:

  • Im Mai begann in München ein Prozess gegen drei deutsch-russische Staatsangehörige, die militärische Einrichtungen ausgespäht und Anschläge auf Infrastruktur geplant haben sollen. Den Festnahmen waren umfangreiche Ermittlungen des BfV und weiterer Behörden vorausgegangen. In diesem Kontext unterstützen wir durch mehrsprachige Flyer und eine Beteiligung bei der Social Media-Kampagne der Sicherheitsbehörden des Bundes das erhöhte Bewusstsein für das Phänomen der sogenannten Low-Level-Agents und Anwerbeversuche russischer Dienste.

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

die Gefahrenlage bewältigen, statt sie nur zu beschreiben – diesem gemeinsamen Ziel dienen wir täglich und mit großem Einsatz.

Umso dringlicher erachten wir es, dass sich unsere Einsatzbereitschaft auch im virtuellen Einsatzraum entfalten kann, da sich gerade dort unverkennbar Gefahrenpotentiale verdichten!

  • Schnelle Radikalisierungsverläufe durch digital erstellte, konsumierte und geteilte Propaganda,
  • neue KI-gestützte Cyberangriffstools
  • und die steigende Motivation zur Cybersabotage dürfen wir nicht ignorieren!

Denn das BfV teilt die Einschätzung seiner Vorredner und Partner:
Deutschland steht an exponierter Stelle in einem Systemkonflikt, in dem nachrichtendienstliche Operationen immer stärker gekoppelt sind an

  • kriegerische Aktivitäten,
  • regionalpolitische Konflikte
  • und geopolitische Ambitionen.

Unsere gemeinsamen Erfolge sind groß – aber die Aufgaben sind größer!

Deshalb begrüßen wir den Rückenwind aus der Politik und ihren Willen, die Rahmenbedingungen der Nachrichtendienste an den Leistungspotentialen europäisch-demokratischer Partner zu messen. Denn die Zeitenwende lehrt uns:

Abschreckung funktioniert über Fähigkeiten!
Dies ist unser Auftrag – dies ist unsere Mission.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.