„Königreich Deutschland“ – Staatssimulation von „Reichsbürgern“ und „Selbstverwaltern“
(April 2025)
„Königreich Deutschland“ - Ein Fantasiestaat
Die Szenen muten surreal an – oder lächerlich, je nach Sichtweise. Ein Mann auf einer Bühne vor einem Flügel und schweren Kerzenleuchtern bekommt einen Hermelinmantel umgelegt. Mit weihevollen Mienen schreiten junge, mehr oder weniger festlich gekleidete Menschen mit „Reichsinsignien“ in den Händen auf die Bühne und überreichen sie ihm.
Der Mann im Krönungsornat liest dann, auf ein Schwert gestützt, eine „Gründungsurkunde“ vor und gibt sich dabei größte Mühe, würdevoll zu klingen. Zum Klang von Strauss‘ „Also sprach Zarathustra“, bekannt aus dem Filmklassiker „2001 – Odyssee im Weltraum“, kniet er vor einer Krone und legt das Schwert davor ab. Später nimmt er auf einer Art Thron sitzend die Huldigungen seiner „Untertanen“ entgegen.
Dieses Video soll den Gründungsakt eines neuen Staates zeigen. Schon an den Gesichtern der Anwesenden ist zu erkennen: Das ist keine Satire und will erst recht nicht als Scherz verstanden werden, es ist ihnen ernst.

Der Fantasiestaat „Königreich Deutschland“ (KRD) wurde im September 2012 in der Lutherstadt Wittenberg (Sachsen-Anhalt) „ausgerufen“. Der Gründer des KRD Peter Fitzek hatte sich in einem „Staatsgründungsakt“ zum „Obersten Souverän“ ernennen lassen. Das KRD hat sich – der Überzeugung folgend, einen „völkerrechtskonformen neuen Staat“ gegründet zu haben – auch eine eigene „Verfassung“ gegeben. In dieser heißt es, das KRD vereine „die Formen einer direkten aufsteigenden Demokratie in der Organisationsform einer Räterepublik mit einer konstitutionellen Wahlmonarchie“.
Auf über 70 Seiten wird in der „Verfassung“ die Ausgestaltung des Fantasiestaats KRD beschrieben. So finden sich darin unter anderem Ausführungen zu „Grundrechten“, „staatsbürgerlichen Rechten“, zur „Ausgestaltung der staatlichen Organe und Einrichtungen des öffentlichen Lebens, Rechte der Staatsangehörigen“ und zur „Geld-, Währungs- und Finanzverfassung“. Staatsoberhaupt der „konstitutionelle(n) Wahlmonarchie“ des KRD ist der „König von Deutschland“; er wird auf Lebenszeit gewählt. Bis zur Bildung eines von der KRD-Verfassung vorgesehenen „Staatsrates“ und zur Wahl des ersten Königs fungiert der Gründer nach eigener Aussage als „Oberster Souverän“ und übernimmt treuhänderisch alle Aufgaben.
Mit diesem staatsähnlichen Konstrukt versucht das KRD einen Gegenentwurf zum System der Bundesrepublik Deutschland zu schaffen.
Dabei spielen in der Skizzierung des Feindbilds auch antisemitische Konnotationen eine Rolle, etwa wenn behauptet wird, das „Schuldgeld- und Zinssystem in Verbindung mit der Geldschöpfung aus dem Nichts“ sei eine der zentralen Säulen des „destruktiven Systems“, das „alle Völker dieser Erde in Schuld und damit in Abhängigkeit“ halte und in dem eine Umverteilung „von den fleißigen Menschen hin zum Bankenkartell“ erfolge.
Das durch das KRD aufgebaute „Gemeinwohl-Finanzsystem“ wolle dagegen „Freiheit und echten Wohlstand auf einer breiten Basis schaffen“.
Die Aktivitäten des KRD sind auf den „Obersten Souverän“ als Person zugeschnitten. Um ihn als Gründer und Anführer hat sich seitdem ein regelrechter Personenkult entwickelt. Er verfügt dabei über eine charismatische Ausstrahlung, dank der es ihm gelungen ist, eine sektiererische Gemeinschaft aufzubauen und immer wieder Menschen mit seinen Heilsversprechungen so einzunehmen, dass sie unentgeltlich etwa an den Renovierungen von KRD-Objekten mitarbeiten oder für die angebotenen Seminare teils mehrere Hundert Euro aufwenden. Auch gelingt es ihm, Anhänger seines Fantasiestaats dazu zu bringen, erhebliche Geldbeträge zu spenden.
Durch die „Verfassung“ und verschiedene KRD-Strukturen wie zum Beispiel die „Deutsche Heilfürsorge“ (vergleichbar mit einer Krankenkasse), eine „Rentenkasse“, ein „Meldeamt“ und eine als „Staatsbank“ des KRD ausgewiesene „Königliche Reichsbank“ simuliert das KRD ein vermeintlich autarkes Staatswesen. Seinen Anhängern wird fälschlicherweise suggeriert, sie könnten sich durch einen „Übertritt“ zum KRD der Geltung der deutschen Gesetze entziehen und sich unter anderem von der Steuerpflicht befreien, da man – nach eigener Auffassung – nicht Teil des „internationalen Finanzsystems“ sei. Das KRD stellt sich somit als einzige Alternative zum derzeitigen System dar.
Eine der mitgliederstärksten „Reichsbürger“- und „Selbstverwalter“-Gruppierungen
Das KRD wirbt kontinuierlich um neue Mitglieder und besonders offensiv um Gewerbetreibende und Geldgeber.
So wird regelmäßig zum „Tag der offenen Tür“ sowie zu Seminaren und Vortragsveranstaltungen in einer eigenen Liegenschaft in Halsbrücke (Sachsen) eingeladen. Hierzu gehören auch sogenannte Unternehmerseminare, bei denen Unternehmern der Wechsel in den „Rechtskreis des KRD“ angeboten wird, in dem angeblich keine Mehrwertsteuer anfalle. Bei diesen Gelegenheiten versucht das KRD, Interessierten die „Reichsbürger“- und „Selbstverwalter“-Ideologie näherzubringen und sie zu einem „Übertritt“ in das KRD zu animieren.
Daneben spielen die zahlreichen – zum Teil professionell gestalteten – Websites des KRD sowie Kanäle in den sozialen Medien für die Mitgliederwerbung eine wichtige Rolle.

Interessierte werden vom KRD dazu aufgefordert, zunächst eine „Staatszugehörigkeit“ und in einem nächsten Schritt eine „Staatsangehörigkeit“ zu beantragen, wobei insbesondere letztere mit erheblichen Kosten sowie einer Staatsangehörigkeitsprüfung einhergeht. Die „Staatszugehörigkeit“ als „erste und einfachste Verbindung mit dem Königreich Deutschland“ erwirbt bereits derjenige, der erklärt, die „Vision“ des KRD einer „besseren und gerechteren Welt“ zu teilen. Die Staatszugehörigkeit, so das KRD, könne am ehesten mit einer kostenfreien Vereinsmitgliedschaft in der BRD verglichen werden.
Nach eigenen Angaben verfügt das KRD derzeit über mehr als 6.000 Mitglieder; mindestens 919 davon zählt die Gruppierung zu ihrem „Staatsvolk“ (Stand April 2025). Es handelt sich damit um eine der mitgliederstärksten „Reichsbürger“- und „Selbstverwalter“-Gruppierungen bundesweit.
Der „Reichsbürger“- und „Selbstverwalter“-Szene werden aktuell insgesamt 25.000 Personen zugerechnet.
Die Szene ist sehr heterogen und setzt sich aus Einzelpersonen ohne Einbindung in Strukturen, Kleinst- und Kleingruppierungen, überregional agierenden Personenzusammenschlüssen und virtuellen Netzwerken zusammen.
Derzeit existieren rund 30 länderübergreifend aktive Gruppierungen, wozu neben dem KRD beispielsweise „Bismarcks Erben“, die „Verfassunggebende Versammlung“ oder der „Staatenbund Deutsches Reich“ gehören.
Aktivitäten
Besonders umtriebig zeigte sich das KRD zuletzt hinsichtlich des Aufbaus eines „autarken Wirtschaftskreislaufs“ sowie der Erweiterung des „Staatsgebiets“ durch den Erwerb von Grundstücken und Immobilien. Unter der Begrifflichkeit der Autarkie versteht das KRD einen hohen Anteil an Eigenversorgung seiner Anhänger mit biologisch angebauten Lebensmitteln und mit Energie oder die Einrichtung von Gesundheitshäusern, Geburtshäusern und Elternschulen. Angestrebt wird damit die Eigenwirtschaftlichkeit und Unabhängigkeit von der „Euro-Wirtschaft“ und von bestehenden Systemstrukturen.
Mit dem Versprechen, der KRD-Wirtschaftskreislauf sei von der Bundesrepublik Deutschland und dem Bankensystem unabhängig und dabei zins- und steuerfrei, wirbt das KRD massiv um Spenden beziehungsweise „Kapitalüberlassungen“ und für den Umtausch von Euro in die Fantasiewährung „E-Mark“ (für digitale Zahlungen) beziehungsweise „Neue Deutsche Mark“ (für Barzahlungen). Beide Bezeichnungen werden parallel genutzt und dienen bei einem Wechselkurs von einer E-Mark zu 1,10 Euro der reinen Geldgewinnung.
Daneben betreibt das KRD einen Online-Marktplatz „KadaRi“ („Kauf das Richtige!“), auf welchem der Kaufprozess ohne Steuern und in der fiktiven Währung „E-Mark“ abläuft.
Anhänger des KRD riskieren große finanzielle Schäden, da das KRD nach eigenen Angaben keinen Rückzahlungsanspruch und keine Möglichkeit zum Rücktausch der „E-Mark“ einräumt. Trotzdem erhält das KRD von seinen Anhängern immer wieder beträchtliche Großspenden in bis zu fünfstelliger Höhe und Vermögenswerte.
Immobilienerwerb durch das KRD
Eine große Bedeutung für das KRD hat der Erwerb von Immobilen, die als „Staatsgebiet“ angesehen und sowohl zu Wohn- und Siedlungszwecken als auch für geschäftliche Aktivitäten genutzt werden. Während sich die Aktivitäten des KRD anfangs auf die ostdeutschen Bundesländer konzentrierten, hat das KRD mittlerweile bundesweit expandiert und mehrere Immobilen erworben. Der Kauf von Liegenschaften erfolgt in der Regel über Privatpersonen (Strohleute), um zu verschleiern, dass Bezüge zum KRD bestehen.
Nachdem das KRD im Jahr 2022 größere Immobilien in Niedersachsen (Bad Lauterberg) , Thüringen (Gera) und Sachsen (Wolfsgrün und Eibenstock) erworben hatte, belegt der Kauf einer weiteren Immobilie mit weiträumigen Nutzflächen in Halsbrücke (Sachsen) im Mai 2023 die vom KRD verfolgte Strategie, Liegenschaften für den Aufbau sogenannter Gemeinwohlstrukturen zu erwerben.

Geplant ist die Entstehung von autarken Wohn-, Gemeinschafts-, Arbeits- sowie Gästebereichen. Die Immobilien sollen jedoch nicht nur für ein eigenversorgtes Zusammenleben, sondern auch für extremistische Aktivitäten genutzt werden. So werden in den Räumlichkeiten Seminare wie etwa „Systemausstiegsseminare“ abgehalten. Im Rahmen dieser Seminare werden nach Angaben des KRD vermeintlich „legale Ausstiegskonzepte aus dem destruktiven ‚System Bundesrepublik‘ vermittelt“. Nicht zuletzt mittels solcher Veranstaltungen versucht das KRD seine Anhänger mit zahlreichen Versprechungen wie der Steuerfreiheit im KRD zum Bruch von Gesetzen und Verordnungen der Bundesrepublik Deutschland zu verleiten.
Daneben dienen die Seminare auch der Generierung von Einnahmen für die Organisation, da die Teilnehmenden für die angebotenen Schulungsveranstaltungen teils mehrere Hundert Euro aufwenden müssen. Darüber hinaus sind auf den angeeigneten Grundstücken verschiedene, dem KRD zuzurechnende Betriebe angesiedelt. Folglich stellt die Nutzung der Immobilien auch aus wirtschaftlicher Sicht einen gewichtigen Faktor für die Organisation dar.
Bundesanstalt für Finanzaufsicht (BaFin) beschlagnahmt Immobilien

Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) führte auf Grundlage von Verstößen Peter Fitzeks gegen das Kreditwesengesetz (KWG) und das Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) am 29. November 2023 unter anderem Maßnahmen an drei dem KRD zurechenbaren Immobilien durch. Dabei wurde gemäß § 37 Abs. 1 Satz 1 und 2 i.V.m. § 37 Abs. 1 Satz 4 KWG die Einstellung und Abwicklung der unerlaubten Bank- und Versicherungsgeschäfte angeordnet. Hierzu versiegelte die BaFin die Liegenschaft in Wittenberg sowie das „Wolfsgrüner Schlösschen“ und den „Sächsischen Hof“ in Eibenstock.
Am 1. Oktober 2024 fanden erneut Durchsuchungsmaßnahmen der BaFin in insgesamt vier dem KRD zuzurechnenden Immobilien statt. Hierbei wurde u.a. das „Schloss Bärwalde“ in Boxberg/Oberlausitz durchsucht sowie versiegelt.
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Gefährdungspotenzial

Das KRD ist eine extremistische „Reichsbürger“- und „Selbstverwalter“-Gruppierung. Seine Aktivitäten zielen darauf ab, die gültige Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland außer Kraft zu setzen und durch ein eigenes System zu ersetzen, in dem demokratische Grundsätze und Gesetze wie auch staatliche Schutzvorschriften generell keine Geltung haben sollen. Dies betrifft zum Beispiel Bestimmungen des Steuerrechts, der Gewerbeordnung, des Arbeitnehmerschutzes, des Verbraucherschutzes und viele weitere staatliche Regelungen, deren Wirksamkeit in der Scheinordnung des KRD generell in Abrede gestellt werden.
Dieses System birgt die Gefahr einer erheblichen Schädigung sowohl der eigenen Anhängerschaft als auch möglicher Kunden der „Unternehmen im KRD“. Die eigene Anhängerschaft des KRD wird zu rechtswidrigem Verhalten ermuntert.
Auch wenn seitens des KRD keine gewaltsamen Aktionen propagiert werden, so bestimmt doch eine „Wehrverfassung“ (Abschnitt V der Verfassung des KRD), dass jedem Deutschen grundlegendes Wissen über Selbstverteidigung mit und ohne Waffen sowie das erforderliche Rechtswissen um diese Kenntnisse vermittelt werden solle. Diese programmatischen Äußerungen bieten jedenfalls einen Ansatzpunkt für eine potenzielle Radikalisierung, zumal „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“, die – wie das KRD – die staatliche Ordnung nicht anerkennen, sich mitunter zur „Selbstverteidigung“ gegen staatliche Eingriffe befugt sehen.
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