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Queerfeindlichkeit im Rechtsextremismus.

Die Aufnahme zeigt eine Wand in beschädigten Regenbogenfarben

Einleitung

Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit bildet einen grundlegenden Bestandteil rechtsextremistischer Ideologie und Agitation. Aktuell wird in der rechtsextremistischen Szene vermehrt gegen die LGBTQI+-Community agitiert.

Im Rahmen des „Pride Month“ im Juni 2022 beobachtete das BfV eine Vielzahl spezifisch queerfeindlicher Agitationen – teilweise mit extrem abwertenden und menschenfeindlichen Positionen und Äußerungen – im Internet sowie durch einzelne Protestaktionen von Rechtsextremisten.

Auf Basis ihrer Weltanschauung lehnen Rechtsextremisten Diversität im Hinblick auf sexuelle Orientierung sowie Partnerschafts- und Familienmodelle größtenteils ab. Sie sehen Heterosexualität und die damit verbundene traditionelle Kernfamilie als alternativlos und biologisch „natürlich“ an.

Für sich genommen ist dies zunächst keine genuin rechtsextremistische Position, jedoch versuchen Rechtsextremisten das Thema ideologisch zu besetzen. Sie knüpfen die Ablehnung moderner Geschlechterverständnisse und Familienmodelle an ihr von Rassismus und Nationalismus geprägtes Weltbild.

Dies äußert sich zum Beispiel in der Familienpolitik rechtsextremistischer Parteien, wonach sich ein drohender „Volkstod“ nur durch eine ausschließlich auf ethnisch deutsche Familien und die Ehe zwischen Mann und Frau ausgerichtete Familienpolitik aufhalten ließe.

Queerfeindliche Agitation anlässlich des „Pride Month“ 2022

Rechtsextremisten nahmen den diesjährigen „Pride Month“ zum Anlass, um ihre queerfeindlichen Einstellungen zum Ausdruck zu bringen. Zahlreiche Einzelpersonen und Gruppierungen äußerten sich in einer diffamierenden Art und Weise zu der Veranstaltung und stellten das legitime Anliegen der LGBTQI+-Community – den Kampf gegen Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung – infrage.

So postete beispielsweise ein rechtsextremistischer Influencer und Neonazi unter dem Titel „Fröhlichen Pride-Month euch allen“ ein Bild einer brennenden Regenbogenfahne und kommentierte:

„Endlich werden die marginalisierten Alphabet-Leute für einen Monat wieder sichtbar gemacht bis es dann die restlichen 11 Monate auch nur darum geht diese sichtbar zu machen.“

Im Vorfeld des „Pride Month“ nahmen Rechtsextremisten zudem Bezug auf Warnungen der Weltgesundheitsorganisation sowie des Robert-Koch-Instituts vor der Verbreitung von Affenpocken. Vielfach hieß es in der rechtsextremistischen Szene, dass es sich bei der Krankheit um eine reine „Schwulenkrankheit“ handele, welche sich durch den „Pride Month“ weiterverbreiten werde. Entsprechend formulierte es im Mai auch die neonazistische Kleinpartei „Der III. Weg“ in einem Beitrag auf ihrer Website:

„Bedauerlich für die Freunde des LGTB-Regenbogens ist es nur, dass die Affenpocken ausgerechnet zu dem Zeitpunkt in Deutschland erscheinen, wo die Saison der landesweiten ‚Gay-Pride-Paraden‘ beginnt. Männern mit gewissen anormalen Neigungen werden also neben der klassischen ‚Schwulenseuche‘ HIV nun also auch bald die Affenpocken den beginnenden Sommer zum ‚Vergnügen‘ machen.“

Sowohl in dem Beitrag selbst als auch in den Kommentaren hierzu wird deutlich, dass Homosexualität im Umfeld der Partei als „unnatürlich“ und „anormal“ angesehen wird. Ein Nutzer schreibt beispielsweise, dass jemand, der „auf Grund von abartigen Neigungen gegen die Naturgesetze verstößt“, sich nicht wundern dürfe, „wenn er dafür von der Natur bestraft“ werde.

Die Aufnahme zeigt drei vermummte Personen vor dem Schriftzug „#nopridemonth“

Abgesehen von queerfeindlichen Äußerungen im Internet fanden auch Protestaktionen von Rechtsextremisten gegen den diesjährigen „Pride Month“ statt. Eine besondere Resonanz – auch in der deutschen rechtsextremistischen Szene – erhielt dabei eine Aktion von Aktivisten der „Identitären Bewegung“ (IB) in Wien. Diese blockierten den Eingang einer städtischen Bücherei, in welcher eine „Drag Queen Story Hour“ stattfinden sollte. Das rot-weiß gestreifte, mauerähnliche Konstrukt trug die Aufschrift „#NOPRIDEMONTH“.

In einem Schreiben zur Aktion heißt es:


„NIEMALS werden wir akzeptieren, dass in diesem Land Kinder mit sexueller Propaganda indoktriniert werden. Wir wehren uns gegen die staatsfinanzierte Globohomo-Ideologie und bekämpfen sie, überall wo sie sich zeigt. Die Mehrheit des Volks ist dagegen. Sie will keine Frühsexualisierung ihrer Kinder & lehnt diese Propaganda ab. (…) KEIN METER FÜR GLOBOHOMO“.

Neue Rechte: Schlagwort „Globo-Homo“

In der Neuen Rechten wird unter dem Schlagwort „Globo-Homo“ vor einer vermeintlich weltweit voranschreitenden Homogenisierung der Gesellschaft gewarnt. Bei dem Begriff handelt es sich um eine Wortneuschöpfung aus den Adjektiven „globalistisch“ und – offenbar variabel je nach Verwendungskontext – „homogen“ oder „homosexuell“.

In einem weiteren Sinne knüpft der Begriff an das „Ethnopluralismus“-Konzept der Neuen Rechten an. Ethnopluralisten sehen in einer Völkervielfalt, welche sich in jeweils ethnisch weitgehend homogenen Staaten niederschlägt, einen Idealzustand. Durch die Globalisierung und Liberalisierung der Gesellschaft verliere der Mensch seine kulturelle und ethnische Identität, was verhindert werden müsse, so die Position.

Das Schlagwort „Globo-Homo“ wird oftmals aber auch explizit auf die Gender-Thematik bezogen. In diesem Zusammenhang drückt der Begriff eine Ablehnung der Gleichberechtigung unterschiedlicher sexueller Orientierungen und eine Warnung vor einem vermeintlichen Verlust sexueller Identität aus.

In einem Beitrag für das rechtsextremistische „COMPACT“-Magazin formulierte Martin Sellner, Führungsfigur und Sprachrohr der deutschsprachigen IB, in Bezug auf den „Pride Month“ 2021:

„Unter dem Deckmantel von Toleranz und Akzeptanz mobilisierte sich im Zeichen des Regenbogens eine totalitäre, familien- und kinderfeindliche Ideologie: Traditionelle Geschlechterrollen sollen ‚aufgebrochen‘ und die Identität als Mann oder Frau aberzogen werden. Die sogenannte Befreiung, die die Apostel der globalen Homogenisierung, kurz Globohomo, versprechen, bedeutet in Wirklichkeit Verwirrung und Zerstreuung. (…) Der Regenbogen-Angriff stellt damit die letzte Stufe einer Attacke auf die menschliche Identität dar. Das heimat-, kultur- und geschlechtslose Transwesen ist der neue, verflüssigte Homo migrans, den die Eliten wollen.“„COMPACT“-Magazin 8/2021, Titel „Die schwule Republik – Eliten, Transen, Gender-Irre“

Das Narrativ der „Gender-Propaganda“

Dass die Bevölkerung durch eine gezielte „Gender-Propaganda“ manipuliert oder gar sexuell umerzogen werden solle, ist ein gängiges Narrativ in der rechtsextremistischen Szene. Diese „Gender-Propaganda“ werde sowohl durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk als auch durch Konzerne, Politiker sowie an Schulen betrieben.

Die Aufnahme zeigt ein Plakat-Schriftzug der Partei 3-Weg „Homo-Propaganda stoppen“

In einem Flugblatt der neonazistischen Partei „Der III. Weg“ mit dem Titel „FAMILIEN SCHÜTZEN! HOMO-PROPAGANDA STOPPEN!“ heißt es hierzu:

„In der Schule, im Kindergarten, an der Universität, im Fernsehen, in der Zeitung. Überall soll uns eingeredet werden, dass Homosexualität etwas Natürliches sei, das es zu fördern gilt. Doch nicht nur Homosexualität, sondern auch noch ganz andere Abstrusitäten sollen uns schmackhaft gemacht werden. Nach der sogenannten ‚Genderlehre‘ soll es jetzt auch keine natürlichen Geschlechter mehr geben (…). Millionen von Euros fließen jährlich in diese Propaganda, die ausschließlich einer kleinen Randminderheit zugutekommt und dieser eine völlig unproportionale Stellung in den Medien und der Öffentlichkeit gibt.“

Anlässlich des „Pride Month“ verteilte die Partei das Flugblatt nach eigenen Angaben in mehreren Städten in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Sachsen und Sachsen-Anhalt.

Rechtsextremistische Parteien: Völkische Familienpolitik

In ihren Parteiprogrammen und Satzungen fordern rechtsextremistische Parteien wie die „Nationaldemokratische Partei Deutschlands“ (NPD) eine Familienpolitik, welche ausschließlich „deutsche“ Familien fördert. Die Ehe zwischen Mann und Frau gilt dabei als „die einzige Familienform, die Förderung und besonderen staatlichen Schutz verdient“. Schließlich könnten nur in dieser Familienform Kinder geboren und damit letztlich der drohende „Volkstod“ abgewendet werden. Alle anderen Familienmodelle und sexuellen Orientierungen werden demnach kategorisch abgelehnt.

Ihre Queerfeindlichkeit stellen die Parteien auch unverhohlen zur Schau. Die NPD-Jugendorganisation „Junge Nationalisten“ (JN) vertreibt beispielsweise einen Aufkleber mit der Aufschrift: „AUS ANNE WIRD FRANK, DAS IST DOCH KRANK!“. Neben der hier zum Ausdruck kommenden Queerfeindlichkeit ergibt sich durch die Anspielung auf Anne Frank, die als junges Mädchen jüdischer Abstammung vom Naziregime verfolgt wurde und im Jahr 1945 im Konzentrationslager Bergen-Belsen verstarb, auch eine antisemitische Konnotation.

Bewertung und Ausblick

Im Kontext des diesjährigen „Pride Month“ stellte das BfV eine Vielzahl queerfeindlicher Äußerungen und Anfeindungen von Rechtsextremisten im Internet fest. Die Feindseligkeit gegenüber der LGBTQI+-Community zeigte sich insbesondere in der Darstellung sexueller Minderheiten als vermeintlich negative Abweichung von der Norm sowie in vulgären verbalen Angriffen vor allem in den Kommentarbereichen.

Da die Themen Diversität und Gleichberechtigung zunehmend in den Mittelpunkt der gesellschaftlichen Wahrnehmung rücken, ist damit zu rechnen, dass Rechtsextremisten zukünftig noch stärker versuchen werden, diese Themen ideologisch zu besetzen.