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Herausforderung rechtsextremistische Gewalt und rechtsterroristische Anschläge.

Überblick

Die Anwendung von Gewalt ist in der rechtsextremistischen Ideologie eine Konstante und ein übergreifendes Handlungsmuster. Sie äußert sich dabei nicht nur in spontanen Gewalttaten, dazu zählen etwa körperliche Angriffe auf politische Gegner und typische Feindbilder wie Zugewanderte, sondern auch in terroristischen Anschlägen. Solche Anschläge sind im Gegensatz zu spontanen Gewaltausbrüchen geplant, oftmals über einen längeren Zeitraum. Sie zielen auf die Einschüchterung potenzieller Opfergruppen und die Erzeugung eines Klimas der Angst. Die maßgebliche Motivation dieser schweren Gewaltverbrechen und Anschläge, bei denen in der Vergangenheit regelmäßig Schusswaffen gebraucht wurden, liegt in einer gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit. Ein neben der Fremdenfeindlichkeit besonders herausragendes Motiv ist der Antisemitismus.

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Tötungsdelikte zeigen hohes Gewaltpotenzial

Mehrere Anschläge in der jüngeren Zeit zeigen deutlich diese Gefahr und das hohe Gewaltpotenzial des Rechtsextremismus.

Die Aufnahme zeigt den Sarg von Dr. Walter Lübcke bei der Trauerfeier.
picture alliance/dpa/dpa-POOL | Swen Pförtner

So wurde in der Nacht auf den 2. Juni 2019 der Regierungspräsident des Regierungsbezirks Kassel Dr. Walter Lübcke auf der Terrasse seines Wohnhauses in Wolfhagen (Hessen) erschossen. Diese Tat gilt als erster rechtsextremistisch motivierter Mord an einem Politiker in der Bundesrepublik Deutschland. Der Attentäter von Dr. Walter Lübcke war in den 1990er- und 2000er-Jahren in der rechtsextremistischen Szene beziehungsweise in mehreren rechtsextremistischen Organisationen aktiv.

Er wurde am 28. Januar 2021 durch den Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt am Main wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt. Nach Überzeugung des Gerichts hatte er den Kasseler Regierungspräsidenten als Alleintäter erschossen. Über eine Sicherungsverwahrung nach Verbüßung der Haftstrafe wird in einer Gerichtsverhandlung am Ende der Haftzeit entschieden. Sowohl der Generalbundesanwalt als Anklagebehörde als auch der Verurteilte haben gegen das Urteil Revision eingelegt.

Am 22. Juli 2019 kam es zu einem versuchten Tötungsdelikt an einem eritreischen Asylsuchenden in Wächtersbach (Hessen). Nachdem der Täter ihn durch Schüsse schwer verletzt hatte, konnte er zunächst vom Tatort flüchten.

Der Täter nahm sich während eines Telefonats mit der Polizei das Leben. Über ihn lagen bei den Verfassungsschutzbehörden keine Erkenntnisse vor.

Bei einer Wohnungsdurchsuchung wurden jedoch Gegenstände festgestellt, die auf eine fremdenfeindliche Tatmotivation hinweisen.

Die Aufnahme zeigt den Tatort (Einschusslöcher in Tür) in Halle.
picture alliance / Winfried Rothermel | Winfried Rothermel

Am 9. Oktober 2019 versuchte der bis dahin nicht mit rechtsextremistischen Aktivitäten in Erscheinung getretene Attentäter in eine Synagoge in Halle (Sachsen-Anhalt) einzudringen. Dort feierten mehrere Dutzend Personen den höchsten jüdischen Feiertag Jom-Kippur. Der Täter wurde letztlich von der Sicherheitstür der Synagoge aufgehalten, die er mit seinen selbst gebauten Schusswaffen und Sprengsätzen nicht überwinden konnte. Daraufhin wandte er sich von der Synagoge ab und tötete eine zufällig vorbeikommende Passantin. Danach fuhr er mit seinem Fahrzeug ziellos durch Halle, hielt schließlich vor einem Dönerimbiss und erschoss eine der dort befindlichen Personen, die er für Ausländer hielt. Vor seiner Tat hatte er im Internet antisemitische und islamfeindliche Texte veröffentlicht.

Am 21. Dezember 2020 verurteilte das OLG Naumburg (Sachsen-Anhalt) den Mann zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe. Er wurde unter anderem des Mordes in zwei Fällen, versuchten Mordes in über 60 Fällen, der besonders schweren räuberischen Erpressung sowie der Volksverhetzung für schuldig befunden. Das Gericht stellte darüber hinaus die besondere Schwere der Schuld fest und ordnete Sicherungsverwahrung an. In einem psychologischen Gutachten war festgestellt worden, dass der Täter zwar über eine komplexe Persönlichkeitsstörung verfüge, aber dennoch voll schuldfähig sei. Nachdem er keine Revision eingelegt hat, ist seine Verurteilung rechtskräftig.

Am 19. Februar 2020 erschoss ein 43-Jähriger an mehreren Tatorten in Hanau (Hessen) neun willkürlich ausgewählte Menschen mit Migrationshintergrund, bevor er seine Mutter und sich selbst tötete. Fünf weitere Personen wurden außerdem verletzt, zwei davon schwer. Der Täter war den Verfassungsschutzbehörden zuvor nicht bekannt. Vor seiner Tat hatte der 43-Jährige mehrere Texte im Internet veröffentlicht. Sie wiesen sowohl auf eine psychische Erkrankung als auch auf ein Weltbild mit rechtsextremistischen Zügen hin. Der Täter wählte als Opfer ausschließlich Menschen mit Migrationshintergrund aus, was untermauert, dass sein Tatmotiv Fremdenfeindlichkeit war.

Durch die Anschläge in Wolfhagen, Wächtersbach, Halle und Hanau wurde deutlich, dass sich rechtsterroristische Täter auch am Rande oder außerhalb der organisierten rechtsextremistischen Szene radikalisieren können. Der Attentäter von Dr. Walter Lübcke hatte sich etliche Jahre unauffällig verhalten, weswegen keine Erkenntnise mehr bei Polizei oder beim Bundesamt für Verfassungsschutz zu ihm vorlagen. Daran zeigt sich exemplarisch, vor welchen Herausforderungen die Sicherheitsbehörden stehen, um der Bedrohung durch rechtsextremistischen Terrorismus zu begegnen.

Herausforderungen für die Sicherheitsbehörden

Die Aufnahme zeigt die Pforte Nord der Liegenschaft des Bundesamtes für Verfassungsschutz in Köln
Bundesamt für Verfassungsschutz

Im Zentrum der Arbeit der Sicherheitsbehörden steht vor diesem Hintergrund auch zukünftig die Herausforderung, potenzielle Täter im Vorfeld eines geplanten Anschlags zu entdecken. Diese Herausforderung ist umso größer, wenn potenzielle Täter sich außerhalb rechtsextremistischer Strukturen oder Organisationen bewegen und ihre Radikalisierung sich zunächst nicht in einschlägigen Aktivitäten oder Straftaten äußert.

Die aufgeführten rechtsterroristischen Taten wurden allesamt mit Schusswaffen verübt. Das verdeutlicht das Gefährdungspotenzial, das von Waffen im Besitz von Rechtsextremisten und „Reichsbürgern“ und „Selbstverwaltern“ ausgeht.

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Die Verfassungsschutzbehörden wirken im Verbund der Sicherheitsbehörden dabei mit, Rechtsextremisten als Inhaber von waffenrechtlichen Erlaubnissen zu identifizieren und auf den Entzug dieser Erlaubnisse – und der zugehörigen Waffen – durch die Waffenbehörden hinzuwirken.

Mehr zum Thema: „Waffenrecht“

0 :...Angehörigen aus der Reichsbürger- und Selbstverwalterszene (Stand: 2022) wurden seit 2016 ihre waffenrechtlichen Erlaubnisse entzogen.

Das Dritte Waffenrechtsänderungsgesetz (3. WaffRÄndG) vom 17. Februar 2020 erweitert die Möglichkeiten der Waffenbehörden, den Waffenbesitz bei Extremisten zu unterbinden. Seit Inkrafttreten am 1. September 2020 kann die zuständige Waffenbehörde bei jedem Erstantrag auf Erteilung einer waffenrechtlichen Erlaubnis und später bei jeder Folgeüberprüfung der Zuverlässigkeit eines Waffenbesitzers bei den zuständigen Landesbehörden für Verfassungsschutz abfragen, ob dort Bedenken gegen die Zuverlässigkeit der betreffenden Person bestehen. Außerdem wurde die gesetzliche Möglichkeit geschaffen, Mitgliedern einer verfassungsfeindlichen Vereinigung auch dann die waffenrechtlichen Erlaubnisse zu entziehen, wenn diese Vereinigung selbst nicht verboten ist.