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Islamismus und islamistischer Terrorismus.

Das Bild zeigt Anhänger des Islamischen Staates mit symbolischer Tauhīd Geste.

Personenpotenzial

Insgesamt ergibt sich für das Jahr 2024 ein Islamismuspotenzial von 28.280 Personen (2023: 27.200). Das gewaltorientierte islamistische Personenpotenzial wird auf 9.540 geschätzt.

Islamistisches Personenpotenzial 2021 bis 2024

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Mehr zum Thema: „Zahlen und Fakten“

Gefährdung durch den islamistischen Terrorismus

Die Gefährdung durch den islamistischen Terrorismus in Deutschland ist anhaltend hoch.

Die Verschärfung der Gefährdungslage infolge des Angriffs der HAMAS auf Israel am 7. Oktober 2023 besteht fort.

Es bleibt ein erklärtes Ziel jihadistischer Terrororganisationen, insbesondere des „Islamischen Staates“ (IS) und von „al-Qaida“ oder diesen nahestehenden Gruppierungen, Anschläge im Westen, also auch in Europa und Deutschland, zu verüben oder hierzu anzuspornen.

Das Bild zeigt eine Grafik aus dem ISPK-Onlinemagazin „VOICE OF KHURASAN“.

Dabei geht die bei Weitem größte islamistisch-terroristische Bedrohung in und für Deutschland vom Jihadismus des IS aus. Der IS setzt bei seinen Taten auf zwei unterschiedliche Modi Operandi: zum einen auf geschulte, ausgebildete Täter, die als Gruppe agieren und komplexe Anschläge durchführen, zum anderen auf Einzeltäter, die im Internet kontaktiert und rekrutiert werden oder seine Propaganda konsumieren und die mit überall und leicht verfügbaren Mitteln (Messer, Fahrzeug) „einfache“ Anschläge verüben. Welche Gefahr von allein handelnden Personen ausgehen kann, zeigten im Jahr 2024 die Anschläge von Mannheim (Baden-Württemberg) und Solingen (Nordrhein-Westfalen), die von (mutmaßlichen) IS-Sympathisanten begangen wurden. Weitere (mutmaßliche) Anschlagspläne konnten verhindert oder bereits in einem frühen Stadium unterbrochen werden.

Für Europa scheint der „Islamische Staat Provinz Khorasan“ (ISPK) weiter der relevanteste IS-Regionalableger zu sein. Seine Aktivitäten, insbesondere auch die Propaganda, gehen weit über seine regionale Basis in Afghanistan hinaus und sind besonders auch auf Europa gerichtet. Mehrfach nahm der ISPK in seiner Propaganda Bezug auf den Anschlag in Solingen und drohte Deutschland explizit mit Anschlägen.

Radikalisierung Minderjähriger

Europaweit sind in den letzten Jahren zunehmend radikalisierte Minderjährige in jihadistische Aktivitäten verwickelt. Auch in Deutschland spielt diese Zielgruppe eine immer größere Rolle bei der Bearbeitung des Islamismus und islamistischen Terrorismus. Im Berichtszeitraum konnten mehrere Anschlagsvorhaben Minderjähriger im Vorfeld verhindert werden. Beispielsweise wurden vier Jugendliche im Alter von 15 und 16 Jahren aus Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg zwischen dem 28. März 2024 und dem 1. April 2024 festgenommen, da sie sich online zu Anschlägen auf christliche und jüdische Einrichtungen im Raum Iserlohn (Nordrhein-Westfalen) verabredet hatten.

HAMAS und „Hizb Allah“

Infolge des Nahostkonflikts kam es zu einer Intensivierung und Ausweitung der Aktivitäten von HAMAS und „Hizb Allah“ auch in Deutschland. Dies trägt zu einer abstrakt erhöhten Gefährdung israelischer und jüdischer Ziele bei. Die infolge der Ereignisse in Nahost erhöhte Aufmerksamkeit der Sicherheitsbehörden und insbesondere das vom BMI in 2023 erlassene Betätigungsverbot gegen die HAMAS stellten einen tiefen Einschnitt für die Situation der Organisation in Deutschland dar. Dennoch bestehen die etablierten politischen Unterstützerstrukturen der HAMAS in weiten Teilen weiter und führen – ohne sich offiziell zur HAMAS zu bekennen – ihre Aktivitäten fort.

Islamistische Gruppierungen rücken zusammen

Kalifat-Demo auf dem Steindamm in Hamburg am 27. April 2024.
IMAGO / Blaulicht News Kalifat-Demo auf dem Steindamm in Hamburg am 27. April 2024.



Jenseits des Jihadismus rücken bisher getrennt und unterschiedlich agierende islamistische Gruppierungen unter dem Einfluss des Krieges im Nahen Osten und der Positionierung der deutschen Politik dazu näher zusammen und argumentieren auf einer Linie. Sie behaupten eine staatliche und gesellschaftliche Unterdrückung und Ausgrenzung von Muslimen und fordern diese dazu auf, sich vom deutschen Staat und seinen Institutionen fernzuhalten und unter sich zu bleiben. Staatliche Stellen hätten keine Legitimation für „wahre“ Muslime. Diese Position verfängt bei vielen, vor allem jungen Muslimen, und wird voraussichtlich noch länger wirkmächtig bleiben. Diese Positionen vertreten islamistische Gruppierungen wie „Realität Islam“ (RI), „Generation Islam“ (GI), „Muslim Interaktiv“ (MI) und „Botschaft des Islam“ (BdI), die eine ideologische Nähe zu der in Deutschland seit 2003 mit einem Betätigungsverbot belegten „Hizb ut-Tahrir“ (HuT) aufweisen, oder die „Furkan Bewegung“.

Verbot IZH

Das Verbot des „Islamischen Zentrums Hamburg e.V.“ (IZH) durch das Bundesministerium des Innern und für Heimat am 24. Juli 2024 führte unter „Hizb Allah“-Anhängern zu einer starken Emotionalisierung. Das IZH, Trägerverein der „Imam-Ali-Moschee“ in Hamburg, stellte neben der Botschaft die wichtigste Vertretung der Islamischen Republik Iran in Deutschland und ein bedeutendes Propagandazentrum Irans in Europa dar. Es richtete seine Tätigkeiten darauf aus, das islamisch-schiitische Gedankengut iranischer Prägung in Deutschland und Europa zu verbreiten.

Mehr zum Thema: Bundesinnenministerin Faeser verbietet das "Islamische Zentrum Hamburg" und dessen Teilorganisationen

Salafismus

Der Salafismus gilt seit Jahren als eine der dynamischsten islamistischen Bewegungen. Zwar ging die Zahl der Anhänger seit dem Jahr 2021 leicht zurück, im abgelaufenen Jahr 2024 könnte sich jetzt aber eine Trendumkehr angebahnt haben. Verstärkte Missionierungsarbeit in den vergangenen drei Jahren führt zu einer Verjüngung der Anhängerschaft und zu einem leichten Anstieg des Personenpotenzials auf 11.000 Anhänger (2023: 10.500). Vor allem über die in den sozialen Medien präsenten Prediger und Akteure, von denen einige in ihrem Kommunikationsmuster herkömmlichen Influencern ähneln, werden Hunderttausende identitätssuchende junge Menschen erreicht.

In der Theorie bildet der Salafismus die ideologische Grundlage für den Jihadismus. Die Entwicklungen der jüngeren Vergangenheit zeigen jedoch, dass sich zumindest in Deutschland und anderen europäischen Staaten Jihadismus und Salafismus weitgehend voneinander entkoppelt haben. Die überwiegend jungen potenziellen Jihadisten sind von der Praxis des Jihad, das heißt der letztlich maßlosen Anwendung von Gewalt, fasziniert und radikalisieren sich überwiegend eigeninitiativ im Internet. Eine realweltliche Anbindung an die salafistische Szene scheint nicht mehr erforderlich und ist nur noch in seltenen Fällen festzustellen.

Bekämpfung von Terrorismus- und Extremismusfinanzierung

Das Bild zeigt einen Textausschnitt aus dem Strafgesetzbuch zur Terrorfinanzierung
Imago | Depositphotos

Die Instrumentalisierung von Konflikten und Kriegen für Terrorismus- und Extremismusfinanzierung unter dem Deckmantel der Wohltätigkeit war auch im Berichtsjahr weiterhin präsent. So besteht im Hinblick auf die Situation im Gazastreifen eine anhaltend erhöhte Spendenbereitschaft der palästinensischen Diaspora, wobei Teile dieser humanitär intendierten Gelder möglicherweise auch HAMAS-Strukturen zugutekommen. Die Identifizierung und Aufklärung von Finanzströmen ist essenzieller Bestandteil des ganzheitlichen Ansatzes der Sicherheitsbehörden zur Bekämpfung von Terrorismus und Extremismus. Nationale und internationale Maßnahmen greifen dabei ineinander. Unter anderem sind Vereinsverbote ein wichtiges Instrumentarium, um die organisatorischen und finanziellen Möglichkeiten von Islamisten zu beschränken. Entsprechende Finanzaktivitäten werden aufgeklärt und verfolgt sowie zugehörige finanzielle Strukturen und Netzwerke identifiziert. So wird auf der einen Seite die Finanzierung terroristischer Taten erschwert. Auf der anderen Seite wird betreffenden Akteuren bereits weit im Vorfeld von Anschlägen der finanzielle Nährboden entzogen. Das schränkt ihren Aktionsradius ein und unterbindet Propaganda- und Rekrutierungsbemühungen.

Antisemitismus im Islamismus

Antisemitismus ist seit jeher Bestandteil islamistischer Ideologien: In nahezu allen islamistischen Strömungen und Organisationen lässt sich antisemitisches Gedankengut nachweisen. Islamistische Organisationen und Gruppierungen instrumentalisieren den Nahostkonflikt – zumeist durch antisemitische Deutungen der Geschehnisse, die mit islamistischen Ideologiefragmenten verknüpft werden – zur Agitation und Mobilisierung. Für die Agitation der HAMAS ist er das zentrale und fortwährende Thema. Aber auch Jihadisten, Salafisten und andere islamistische Organisationen, für die jüdische Menschen eines von vielen Feindbildern sind, greifen ihn als Agitationsthema auf.


„Feindbild LSBTIQ“

istock | fotograficabasica

Das „Feindbild LSBTIQ“ – die Ablehnung lesbischer, schwuler, bisexueller, trans- und intergeschlechtlicher sowie queerer Menschen (zusammengefasst: LSBTIQ) – ist nicht neu, aber von wachsender Bedeutung als Ausdrucksform der islamistisch motivierten Ablehnung beziehungsweise Bekämpfung der liberalen und pluralistischen Demokratie westlicher Prägung. Die Agitation gegen Menschen mit anderen geschlechtlichen und sexuellen Identitäten legt exemplarisch dar, wie Islamisten gesellschaftlich relevante Themen nutzen, um vor allem online Debatten zu führen und ihre Perspektive auch jenseits der eigenen Klientel zu platzieren.

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