Auslandsbezogener Extremismus.
Personenpotenzial
Das Personenpotenzial im auslandsbezogenen Extremismus ist im Jahr 2024 um 6 % auf insgesamt 32.500 Personen (2023: 30.650) angestiegen.
Die zahlenmäßig bedeutsamste Organisation in Deutschland bleibt weiterhin die „Arbeiterpartei Kurdistans“ (PKK) mit 15.000 Anhängern.
Personenpotenzial im auslandsbezogenen Extremismus in Deutschland1 | |||
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2022 | 2023 | 2024 | |
„Arbeiterpartei Kurdistans“ (PKK) | 14.500 | 15.000 | 15.000 |
Türkischer Rechtsextremismus | 12.100 | 12.500 | 12.900 |
Türkischer Linksextremismus | 2.550 | 2.500 | 2.500 |
Säkularer palästinensischer Extremismus | 200 | 250 | 1.000 |
Sonstige | 400 | 400 | 1.100 |
Summe | 29.750 | 30.650 | 32.500 |
1 Die Zahlenangaben sind zum Teil geschätzt und gerundet. |
Fast 22.000 Personen im auslandsbezogenen Extremismus sind der Definition nach als gewaltorientiert einzuordnen – so viele wie in keinem anderen Phänomenbereich. Gewalt wird meist im Rahmen von Demonstrationen gegen die Polizei oder politische Gegner eingesetzt. Ein Großteil der Personen unterstützt auf unterschiedliche Weise Organisationen, die in ihren Heimatländern mit tödlicher Gewalt und Terror agieren oder diese propagieren.
Auslandsbezogene extremistische Straf- und Gewalttaten
Die Straftaten mit einem auslandsbezogenen extremistischen Hintergrund haben im Jahr 2024 erneut deutlich zugenommen. 4.534 Delikte (2023: 3.092) bedeuten einen Anstieg um 46,6 %. Die Zahl der Gewalttaten stieg sogar um 84,5 % auf 607 Delikte (2023: 329).
Vor allem im Zusammenhang mit Reaktionen auf die anhaltende Eskalation im Nahostkonflikt kam es zu strafbarem Handeln in Form von Gewalt, Ausschreitungen, verbotenen Parolen und Symbolen, dem Billigen der Terrorangriffe der HAMAS auf Israel im Rahmen von Versammlungen oder abseits davon vor allem in Form von Sachbeschädigungen. So war bei mehr als zwei Drittel der 2024 im auslandsbezogenen Extremismus verübten Straftaten – das bedeutet mehr als 3.000 Delikte (2023: rund 1.700, +76,5 %) – eine israelfeindliche beziehungsweise propalästinensische Tatmotivation zu verzeichnen.
Dagegen sind 304 Körperverletzungsdelikte (2023: 219, +38,8 %) nicht alleine auf Straftaten im Zusammenhang mit dem Nahostkonflikt zurückzuführen. Dies gilt auch für zwei versuchte Tötungsdelikte (2023: ein vollendetes und zwei versuchte). Vielmehr zeigt sich hier deutlich das generell im auslandsbezogenen Extremismus vorherrschende Gewaltpotenzial.
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Vielschichtiger Phänomenbereich
Im auslandsbezogenen Extremismus finden sich Organisationen mit Ideologieelementen aus dem Rechts- und Linksextremismus sowie Organisationen, die separatistische Bestrebungen in ihren Heimatländern verfolgen. Die Situation in den jeweiligen Bezugsregionen sowie die Vorgaben der dortigen zentralen Organisationseinheiten bestimmen überwiegend Politik, Strategie und Aktionen der Strukturen in Deutschland. In ihren Heimatländern wollen diese Organisationen meist drastische Veränderungen der politischen Verhältnisse herbeiführen, dort oftmals auch durch den Einsatz von Gewalt und Terror. Damit verstoßen die von Deutschland aus agierenden Strukturen extremistischer Auslandsorganisationen gegen den Gedanken der Völkerverständigung.
In Deutschland sind diese Organisationen derzeit nicht terroristisch aktiv. Sie unterstützen aber von hier aus ihre Heimatorganisationen und deren gewaltsames Vorgehen vor allem propagandistisch, häufig auch durch den Nachschub von Geld, Material oder neu rekrutierten Kämpferinnen und Kämpfern. Hierdurch gefährden sie die auswärtigen Belange der Bundesrepublik Deutschland. Vor allem beim gewaltsamen Aufeinandertreffen verfeindeter extremistischer Lager, durch Straftaten bei Versammlungen und durch Angriffe auf Einrichtungen des bekämpften (Heimat-)Staates ist auch die innere Sicherheit Deutschlands gefährdet. Hervorzuheben sind hier vor allem die PKK, die marxistisch-leninistisch ausgerichtete türkische „Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front“ (DHKP-C), die rechtsextremistische türkische „Ülkücü“-Bewegung sowie säkulare propalästinensische Extremisten.
Aktivitäten der PKK

Die PKK verübte auch im Jahr 2024 terroristische Anschläge in der Türkei. So bekannte sie sich zu einem Terroranschlag am 23. Oktober 2024 auf das Unternehmen Turkish Aerospace Industries in Ankara, bei dem neben den beiden Angreifern fünf Menschen getötet und weitere Personen verletzt wurden.
Auch wenn in Europa vordergründig friedliche Veranstaltungen und Aktivitäten der PKK stattfinden, bleibt Gewalt auch hier eine strategische Option der PKK-Ideologie.
Die Organisation ist in der Lage, zumindest punktuell auch in Deutschland Gewalt einzusetzen, sofern ihr dies geboten scheint. Darüber hinaus werden Straf- und Gewalttaten ihrer jugendlichen Anhängerschaft zumindest geduldet. Die erfolgreichen Rekrutierungen von hier lebenden, vor allem jungen Personen für die Ausreise zum bewaffneten Kampf in den kurdischen Siedlungsgebieten zeigen, dass die PKK Gewalt im Ausland unterstützt.
Im Jahr 2024 erzielte die PKK bei ihrer „Jahresspendenkampagne“ („kampanya“) in Deutschland geschätzt zwischen 14 und 15 Millionen Euro (2023: zwischen 16 und 17 Millionen Euro). Damit verzeichnete die Organisation seit Jahren erstmals einen Rückgang der Spendeneinnahmen.
Der Verfolgungsdruck auf PKK-Funktionäre in Deutschland bleibt weiterhin hoch. Auch 2024 wurden mehrere PKK-Führungskader wegen Unterstützung oder Mitgliedschaft in der ausländischen terroristischen Vereinigung zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Weitere Strafverfahren gegen Führungsfunktionäre sind anhängig.

Im Oktober und Dezember 2024 erhielt Abdullah Öcalan zweimal Besuch von Politikern der prokurdischen DEM Parti. Es handelte sich um die ersten genehmigten Besuche beim PKK-Gründer nach über vier Jahren.
Das für die Partei so wichtige Versammlungsgeschehen bewegten sich auch im Jahr 2024 wieder auf hohem Niveau. Neben der Verbreitung von Propaganda können hierbei neue Anhänger geworben und zum Teil auch Gelder für die Organisation eingenommen werden. Bei Großveranstaltungen wie den zentralen Newroz-Feierlichkeiten in Frankfurt am Main nahmen bis zu 35.000 und beim „Internationalen Kurdischen Kulturfestival“ ebenfalls in Frankfurt am Main bis zu 20.000 Personen teil.
Die Rekrutierung zumeist jugendlicher Anhängerinnen und Anhänger aus Deutschland und Europa für den bewaffneten Kampf der PKK in den kurdischen Siedlungsgebieten hielt auch 2024 an. Seit Beginn der statistischen Erfassung durch das BfV im Juni 2013 haben sich mehr als 310 Personen aus Deutschland in die kurdischen Siedlungsgebiete begeben und sich dort unter anderem Kampfeinheiten der PKK angeschlossen. Von den Ausgereisten kamen mindestens 42 Personen dort ums Leben. Etwa 160 Personen sind mittlerweile nach Deutschland zurückgekehrt. Dies belegt, dass in Deutschland rekrutierte Personen, darunter auch deutsche Staatsangehörige, militärisch ausgebildet und in ausländischen Kampfgebieten eingesetzt werden.
Verurteilung führender Funktionäre der DHKP-C

Das OLG Düsseldorf hat am 25. November 2024 eine hochrangige Kaderfunktionärin sowie zwei ehemalige Gebietsleiter der DHKP-C wegen Mitgliedschaft in der ausländischen terroristischen Vereinigung zu mehrjährigen Freiheitsstrafen verurteilt. Die Anhängerschaft der DHKP-C zeigt sich aufgrund der Strafverfahren stark verunsichert. Trotz einer Vielzahl demonstrativer Aktionen war im Berichtsjahr meist nur eine schwache Beteiligung im unteren zweistelligen Bereich feststellbar.
Aufgrund verschärfter Sicherheitsmaßnahmen in der Türkei war es der DHKP-C in den letzten Jahren nicht mehr gelungen, terroristische Aktionen tatsächlich durchzuführen. Dies änderte sich am 6. Februar 2024, als zwei bewaffnete Terroristen vor dem Çağlayan-Justizpalast in Istanbul Schüsse auf einen Einlasskontrollpunkt der Polizei abgaben. Beim anschließenden Schusswechsel wurden beide Angreifer von der Polizei getötet. Insgesamt wurden sechs Personen verletzt, darunter drei Polizisten und drei zivile Opfer, von denen eines später im Krankenhaus verstarb. Die DHKP-C bezeichnete die getöteten Attentäter als „Volkskämpfer“ und „unsterbliche Märtyrer“.
Rechtsextremistische „Ülkücü“-Bewegung

Die rechtsextremistische türkische „Ülkücü“-Bewegung („Idealisten“-Bewegung) beruft sich auf eine extrem nationalistische bis rechtsextremistische Ideologie, die von Elementen wie Rassismus, Antisemitismus und einer Überhöhung des Türkentums geprägt ist. Von ihren etwa 12.900 in Deutschland lebenden Anhängern, auch „Graue Wölfe“ genannt, sind etwa 10.500 in drei großen Dachverbänden organisiert, die in unterschiedlicher Ausprägung die „Ülkücü“-Ideologie vertreten. Die Verbände sind nach außen hin um ein gemäßigtes Auftreten bemüht. Ihre Mitglieder verzichten ganz überwiegend auf öffentliche Hassreden oder andere Straf- und Gewalttaten. Der Extremismus wird eher innerhalb der Vereine ausgelebt und so eine Grundlage für die weitere Verbreitung der rechtsextremistischen Ideologie geschaffen.
Unorganisierte „Graue Wölfe“ (rund 2.400 Personen) leben ihre rassistischen oder antisemitischen Feindbilder dagegen häufig offen aus, etwa in den sozialen Medien, aber auch beim öffentlichen Aufeinandertreffen mit ihren politischen Gegnern, wo sich das hohe Gewaltpotenzial der Szene zeigt.
Säkularer propalästinensischer Extremismus
Der säkulare propalästinensische Extremismus besteht aus verschiedenen Organisationen, Bewegungen, Netzwerken und Einzelpersonen. Was diese Gruppierungen und Personen eint, ist die Feindschaft gegenüber Israel, dessen Existenzrecht sie nicht anerkennen und gegen das sie in völkerverständigungswidriger Weise agitieren. Hierbei bedienen sie häufig auch antisemitische Narrative.
Vielfach unterstützen propalästinensische Extremisten den Aufruf der Bewegung „Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen“ (BDS). Nach dem Terrorangriff der HAMAS auf Israel am 7. Oktober 2023 beteiligten sich BDS-nahe beziehungsweise die Bewegung und ihre Forderungen unterstützende Gruppierungen vielfach an israelfeindlichen Versammlungen. Ferner intensivierten sie ihre Forderungen nach dem Ende einer behaupteten „israelischen Apartheid“ sowie die Aufrufe zum Boykott von Unternehmen und Waren mit Bezug zu Israel. Einige dieser Gruppierungen werden nun als gesichert extremistische Bestrebungen bewertet. Zu nennen sind hierbei „BDS-Berlin“ und „BDS-Bonn“ sowie die Gruppierungen „Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost e.V.“ („Jüdische Stimme“) und „Palästina Spricht“.
Antisemitismus im Auslandsbezogenen Extremismus

Im auslandsbezogenen Extremismus in Deutschland nimmt Antisemitismus vor allem im türkischen Rechtsextremismus und bei säkularen extremistischen Palästinensern eine relevante Rolle ein. Antisemitismus sowie die rassistische Überhöhung des Türkentums sind prägende Bestandteile der „Ülkücü“-Ideologie türkischer Rechtsextremisten. Säkulare palästinensische Extremisten eint die Feindschaft gegenüber Israel, dessen Existenzrecht sie nicht anerkennen und gegen das sie in völkerverständigungswidriger Weise agitieren. Prägend ist der Territorialkonflikt mit Israel. Häufig wird der Staat Israel von ihnen mit „den Juden“ gleichgesetzt.
Im türkischen Linksextremismus widerspricht Antisemitismus grundsätzlich der ideologisch angestrebten säkularen und egalitären Staats- und Gesellschaftsordnung, dennoch sind immer wieder antisemitische Verlautbarungen aus der Szene zu beobachten. Diese richten sich jedoch nicht gegen Jüdinnen und Juden, sondern ideologisch begründet gegen den Staat Israel, der als „imperialistisch“ und „kapitalistisch“ abgelehnt und daher sein Existenzrecht verneint wird.
Jenseits der spezifischen Besonderheiten hinsichtlich der jeweiligen antisemitischen Ausprägungen in den ideologisch getrennten Bestrebungen des Phänomenbereichs konnte nach dem Terrorangriff der HAMAS auf Israel am 7. Oktober 2023 beobachtet werden, wie sich extremistische Bewegungen und Gruppierungen über Strömungen und ideologische Differenzen hinweg miteinander solidarisierten. Dies wirft ein Schlaglicht darauf, dass Israelfeindschaft und Antisemitismus Brückennarrative, also ideologische Schnittmengen zwischen unterschiedlichen extremistischen Einstellungen, sind. Akteure aus dem säkularen propalästinensischen Extremismus nehmen dabei im propalästinensischen Demonstrationsgeschehen eine Scharnierfunktion zwischen Islamisten und Linksextremisten ein.
Nahostkonflikt
Auch 2024 gab es in Deutschland zahlreiche Proteste und Versammlungen im Zusammenhang mit dem Nahostkonflikt, wenn auch in abnehmender Zahl und mit weniger Teilnehmenden als zum Ende des Vorjahrs. Vor allem säkulare propalästinensische Extremisten sowie deutsche und türkeistämmige Linksextremisten, türkische Rechtsextremisten und Islamisten beteiligten sich an den Veranstaltungen. Stellten Extremisten lange nicht die Mehrheit der Teilnehmenden, bildete sich im Laufe des Jahres im Protestschwerpunkt Berlin ein harter Kern um ebendiese Akteure heraus, der zunehmend emotionalisiert und radikalisiert auftrat. Neben Hassparolen kam es immer wieder zu Ausschreitungen und Angriffen auf die Polizei, Journalisten oder Gegendemonstranten. Abseits der Versammlungen wurden weiterhin zahlreiche Sachbeschädigungen verübt, meist Farbschmierereien mit israelfeindlichen Inhalten. Auch an den Hochschulprotesten vor allem im Frühjahr 2024 beteiligten sich Extremisten aus diversen Spektren, konnten dabei aber keine bedeutende, zentrale Rolle bei Organisation und Inhalten erlangen.

Die MLKP-Jugendorganisation „Young Struggle“ (YS) trat als einer der aktivsten extremistischen Akteure in Bezug auf Mobilisierung, Organisation und Teilnahme an propalästinensischen Versammlungen und spektrenübergreifenden Vernetzungstreffen in Erscheinung. Sie radikalisierte sich nicht nur sprachlich in den zahlreichen Veröffentlichungen, sondern es konnte auch eine erhöhte Gewaltbereitschaft bei Aktionen und Demonstrationen festgestellt werden.
Der Nahostkonflikt war im Jahr 2024 in der freien türkisch-rechtsextremistischen „Ülkücü“-Szene weiterhin das diskursbestimmende Thema. Hier findet sich eine ausnahmslose Solidarisierung mit der palästinensischen Seite.
Zu den Organisatoren israelfeindlicher Versammlungen vor allem in Berlin zählten im Jahr 2024 regelmäßig auch Personen aus dem Umfeld der Terrororganisation „Volksfront für die Befreiung Palästinas“ (PFLP), die in Deutschland nicht offen unter ihrem Namen in Erscheinung tritt.
Seit dem 2. November 2023 ist die Betätigung des internationalen palästinensischen Gefangenensolidaritätsnetzwerks „Samidoun“ in Deutschland verboten. Ehemalige Akteure waren aber auch 2024 weiterhin in der extremistischen propalästinensischen Szene aktiv.