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Begriff und Erscheinungsformen.

Die Aufnahme vom 11. September 2001 zeigt eine Perspektive auf den Terroranschlag auf das World Trade Center in New York City aus einem Gebäude in New Jersey.

Der Islamismus bezeichnet eine Form des politischen Extremismus, in dem die Existenz einer gottgewollten und daher „wahren“ und absoluten Ordnung postuliert wird, die über den von Menschen gemachten Ordnungen steht. Unter dem Oberbegriff werden dabei verschiedene Strömungen zusammengefasst, die sich hinsichtlich ihrer ideologischen Prämissen, ihrer geografischen Orientierung und ihrer Strategien und Mittel unterscheiden.

Der Islamismus basiert auf der Überzeugung, dass die Weltreligion des Islam nicht nur eine persönliche beziehungsweise private Angelegenheit ist, sondern auch das gesellschaftliche Leben und die politische Ordnung bestimmen oder zumindest teilweise regeln sollte. Dies steht im klaren Widerspruch zu den im Grundgesetz verankerten Prinzipien der Volkssouveränität, der Trennung von Staat und Religion, der freien Meinungsäußerung und der allgemeinen Gleichberechtigung. Islamisten verfolgen das Ziel, die freiheitliche demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland unter Berufung auf ihre Religion ganz oder teilweise abzuschaffen und begründen damit eine Verfassungsschutzrelevanz.

Salafismus

Eine besonders radikale Strömung im Islamismus ist der Salafismus. Der Salafismus steht im Widerspruch zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung: Salafisten geben vor, sich in ihrem Denken und Handeln ausschließlich an einem wortgetreuen Verständnis von Koran und Sunna (zur Nachahmung empfohlene Handlungsweise und Aussagen des Propheten) sowie am Vorbild der Gefährten des Propheten zu orientieren. Dabei blenden Salafisten mehrere Jahrhunderte Geschichte des Islam und der Muslime weitestgehend aus und erheben einen Exklusivitätsanspruch als die einzig „wahren“ Muslime.

Die salafistische und jihadistische Szene in Deutschland hat sich – nicht zuletzt durch staatliche Maßnahmen – in den vergangenen Jahren verändert: Sie ist heterogener und weniger sichtbar geworden, überregionale Strukturen waren teilweise rückläufig. Während der Coronapandemie bauten salafistische Akteure ihre Internetpräsenzen aus und betreiben auf neueren Social-Media-Plattformen wie TikTok und Instagram Angebote, die auf eine junge Zielgruppe zugeschnitten sind. Seit 2022 haben sichtbare Aktivitäten der salafistischen Szene im öffentlichen Raum wieder zugenommen, zum Beispiel mit einer wachsenden Zahl an Missionierungsständen in belebten Fußgängerzonen, der sogenannten Street Da’wa.

Das der salafistischen Szene zugerechnete Personenpotenzial hat sich nach einem Jahrzehnt des Wachstums auf hohem Niveau verfestigt. Diese Kräfte verfolgen langfristig das Ziel, die liberale Gesellschaftsordnung in Deutschland abzuschaffen und einen ultra-konservativen Gottesstaat zu etablieren. Auch wenn der sogenannte politische Salafismus öffentlich Gewalt ablehnt, bleibt ein Gefährdungspotenzial: Es gilt weiterhin, dass aus dem Salafismus gewaltbereiter Jihadismus erwachsen kann.

AP Photo/picture alliance

Jihadistische Gruppierungen

Jihadistische Gruppierungen, wie zum Beispiel der „Islamische Staat“ (IS) und „Al-Qaida“, sehen in ihrem Kampf für einen „Gottesstaat“ in terroristischer Gewalt ein unverzichtbares Mittel gegen „Ungläubige“ und sogenannte korrupte Regime. Ihre terroristische Agenda ist dabei global ausgerichtet und bedroht auf internationaler Ebene viele Staaten.

Obwohl der IS im Jahr 2019 seine letzte territoriale Basis mit dem Fall von Baghuz (Syrien) verloren hat und sich auch bei „al-Qaida“ keine neuen Dynamiken abzeichneten, zeigte sich die anhaltende Relevanz jihadistischer Ideologie in weiterhin existierenden Strukturen, einem fortbestehenden Anhänger- und Sympathisantenpotential und ausgeprägter Internetpropaganda.

Deutschland wird von jihadistischen Organisationen nach wie vor als Feind wahrgenommen und steht unverändert in deren Zielspektrum. Eine große Gefährdung geht dabei von inspirierten und angeleiteten Einzeltätern aus. So wurde die Mehrzahl der Anschläge der vergangenen Jahre in Deutschland von inspirierten oder angeleiteten Einzeltätern beziehungsweise Kleinstgruppen begangen. Trotz der nur noch eingeschränkten Fähigkeiten des IS können aber auch komplexe islamistisch motivierte Anschläge, vergleichbar mit den koordinierten Attentaten in Paris und Saint-Denis am 13. November 2015, nicht ausgeschlossen werden.

Einzeltäter oder Kleinstgruppen handeln allein beziehungsweise ohne Auftrag, auch wenn die Tat im Interesse einer islamistisch-terroristischen Gruppierung begangen wird. Typisch für diese Art von Anschlägen ist eine Tatausführung mit zum Teil alltäglichen Gebrauchsgegenständen. Im Zielspektrum stehen symbolhafte und/oder leicht zugängliche, sogenannte „weiche“ Anschlagsziele. Einzeltäter agieren dabei jedoch zumeist nicht vollkommen isoliert. Häufig erhalten sie bei der Planung und Vorbereitung ihrer Tat Beratung und Unterstützung durch Angehörige der Terrororganisation im Ausland.

Häufig geht derartigen Anschlagsvorhaben eine Radikalisierung im Salafismus voraus. Darauf haben Propaganda und Kontakte im Internet sowie Aktivitäten der salafistischen Szene und ihrer Prediger in Deutschland einen erheblichen Einfluss.

Bundesamt für Verfassungsschutz

Gewaltorientierte Gruppierungen

Obschon die islamistische Szene in Deutschland stark durch das salafistische und jihadistische Personenpotenzial geprägt wird, nehmen auch andere islamistische Richtungen mit teils großem Anhängerpotenzial einen breiten Raum ein.

Dazu gehören die vielfältigen Bestrebungen von islamistischen Organisationen, unter anderem terroristischen Vereinigungen, deren Aktivitäten von Sympathiebekundungen und Propagandaaktivitäten bis hin zu Finanzierungs- oder Spendensammelaktivitäten reichen, was zur Stärkung der Kernorganisationen im Ausland führen soll. Die Anhänger entsprechender Gruppierungen wie zum Beispiel der „HAMAS" und „Hizb Allah", deren Ziel die Vernichtung des jüdischen Staates Israel ist, sind dabei auf ihre Herkunftsregionen fokussiert und wenden schwerpunktmäßig dort terroristische Gewalt an.

Verbot der „Hizb Allah“

Mit Verfügung vom 26. März 2020 hat das Bundesministerium des Innern und für Heimat gegen die schiitische Terrororganisation „Hizb Allah“ ein Betätigungsverbot erlassen, das am 30. April 2020 verkündet und umgesetzt worden ist. In diesem Zusammenhang kam es zu Durchsuchungen in 15 Objekten in Berlin, Bremen und Nordrhein-Westfalen. Die Durchsuchungen dienten dem Zweck, Beweismittel für mögliche Teilorganisationsverbote gegen die Vereine aufzufinden. Das Verbot stützt sich inhaltlich darauf, dass die Tätigkeiten der „Hizb Allah“ Strafgesetzen zuwiderlaufen und sich die Organisation gegen den Gedanken der Völkerverständigung richtet. Es wurde in der Verfügung festgestellt, dass die Organisation nach wie vor das Existenzrecht Israels in Frage stellt und zu dessen gewaltsamer Beseitigung aufruft.

Verbot der HAMAS

Mit Verfügung vom 2. November 2023 hat das Bundesministerium des Innern und für Heimat die Betätigung der palästinensischen Terrororganisation HAMAS verboten. Die Tätigkeit der terroristischen HAMAS läuft den Strafgesetzen zuwider und richtet sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung. Zudem beeinträchtigt und gefährdet die Tätigkeit der HAMAS sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland. Mit dem Verbot sind sämtliche Aktivitäten für die terroristische HAMAS verboten. Dies beinhaltet neben dem Verbot des öffentlichen Verwendens von Kennzeichen der Organisation auch das Verbot entsprechender Unterstützungshandlungen, wie etwa Finanzierungsaktivitäten oder die Aufrechterhaltung oder Gründung von organisierten Strukturen der Organisation.

Nach Einflussnahme im politischen Raum strebende Gruppierungen

Andere Organisationen versuchen, über politische und gesellschaftliche Einflussnahmen eine nach ihrer Interpretation islamkonforme Ordnung durchzusetzen. Dabei zielen sie auf eine langfristige Änderung der Gesellschaft ab und verfolgen dieser Strategie entsprechend eine Durchdringung der Gesellschaft. Ihr Ziel ist die perspektivische Errichtung eines auf der Scharia basierenden gesellschaftlichen und politischen Systems.

Zu den legalistischen Gruppierungen zählen zum Beispiel der „Muslimbruderschaft“ nahestehende Organisationen, schiitische Vereine wie das „Islamische Zentrum Hamburg e.V.“ (IZH), unterschiedliche Gruppierungen der „Millî Görüş“-Bewegung sowie die „Furkan Gemeinschaft“.

Antisemitismus im Islamismus

Antisemitismus ist ein wesentliches ideologisches Element aller islamistischen Strömungen. Die überwiegende Mehrheit der in Deutschland aktiven islamistischen Organisationen hegt antisemitisches Gedankengut und verbreitet es auf unterschiedlichsten Wegen. Dies stellt eine erhebliche Herausforderung für das friedliche und tolerante Zusammenleben in Deutschland dar.

Bereits die Eskalation des Nahost-Konflikts im Mai 2021 zeigte, dass die Anzahl antisemitischer Ereignisse mit islamistischem Hintergrund in Deutschland stark von der Lage in Nahost abhängt. Eine Zuspitzung des Nahost-Konflikts und der dortigen politischen Ereignisse führen auch in Deutschland zu einer Erhöhung antisemitischer und antiisraelischer Rhetorik sowie entsprechender Straftaten bis hin zu Gewalttaten. Die Täter lassen sich jedoch nicht in allen Fällen einer islamistischen Organisation bzw. dem islamistischem Spektrum zurechnen. Auch seit dem terroristischen Angriff der HAMAS am 7. Oktober 2023 kommt es zu einer Häufung des Demonstrationsgeschehens, an dem ein breites Spektrum von Personen teilnimmt. Im Kontext dieser Demonstrationen kommt es immer wieder zu antisemitischen und antiisraelischen Äußerungen und Straftaten.

Auch zukünftig werden die Entwicklungen im Nahen Osten islamistischen Einzelpersonen und Organisationen ein in Deutschland ein hohes Mobilisierungspotential bieten und können zu einem Anstieg antisemitischer Vorfälle führen.