Begriff und Erscheinungsformen.

Der Islamismus bezeichnet eine Form des politischen Extremismus, in dem die Existenz einer gottgewollten und daher „wahren“ und absoluten Ordnung postuliert wird, die über den von Menschen gemachten Ordnungen steht. Unter dem Oberbegriff werden dabei verschiedene Strömungen zusammengefasst, die sich hinsichtlich ihrer ideologischen Prämissen, ihrer geografischen Orientierung und ihrer Strategien und Mittel unterscheiden.
Der Islamismus basiert auf der Überzeugung, dass die Weltreligion des Islam nicht nur eine persönliche beziehungsweise private Angelegenheit ist, sondern auch das gesellschaftliche Leben und die politische Ordnung bestimmen oder zumindest teilweise regeln sollte. Dies steht im klaren Widerspruch zu den im Grundgesetz verankerten Prinzipien der Volkssouveränität, der Trennung von Staat und Religion, der freien Meinungsäußerung und der allgemeinen Gleichberechtigung. Islamisten verfolgen das Ziel, die freiheitliche demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland unter Berufung auf ihre Religion ganz oder teilweise abzuschaffen und begründen damit eine Verfassungsschutzrelevanz.
Salafismus
Eine besonders radikale Strömung im Islamismus ist der Salafismus. Der Salafismus steht im Widerspruch zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung: Salafisten geben vor, sich in ihrem Denken und Handeln ausschließlich an einem wortgetreuen Verständnis von Koran und Sunna (zur Nachahmung empfohlene Handlungsweise und Aussagen des Propheten) sowie am Vorbild der Gefährten des Propheten zu orientieren.
Dabei blenden Salafisten mehrere Jahrhunderte Geschichte des Islam und der Muslime weitestgehend aus und erheben einen Exklusivitätsanspruch als die einzig „wahren“ Muslime.
Der Salafismus gilt seit Jahren als eine der dynamischsten Bewegungen. Zwar ging die Zahl der Anhänger seit dem Jahr 2021 leicht zurück, im Jahr 2024 stieg sie jedoch erstmals wieder an. Verstärkte Missionierungsarbeit in den vergangenen Jahren führte zu einer Verjüngung der Anhängerschaft.
In der Theorie bildet der Salafismus die ideologische Grundlage für den Jihadismus. Die Entwicklungen der jüngeren Vergangenheit zeigen jedoch, dass sich zumindest in Deutschland und anderen europäischen Staaten Jihadismus und Salafismus weitgehend voneinander entkoppelt haben. Überwiegend junge potenzielle Jihadisten, die von der maßlosen Anwendung von Gewalt fasziniert sind und dies in die Tat umsetzen möchten, sehen es als entbehrlich an, sich mit ideologischen Grundlagen beziehungsweise theologischen Inhalten auseinanderzusetzen – eine realweltliche Anbindung an die salafistische Szene ist daher ebenfalls nicht mehr erforderlich. Die Radikalisierung zum Jihadismus erfolgt demnach ganz überwiegend eigeninitiativ im Internet.
Jihadistische Gruppierungen
Jihadistische Gruppierungen, wie zum Beispiel der „Islamische Staat“ (IS) und „al-Qaida“, sehen in ihrem Kampf für einen „Gottesstaat“ in terroristischer Gewalt ein unverzichtbares Mittel gegen „Ungläubige“ und sogenannte korrupte Regime. Ihre terroristische Agenda ist dabei global ausgerichtet und bedroht auf internationaler Ebene viele Staaten.
Nachdem „al-Qaida“ zu Beginn der 2000er-Jahre die weltweit dominierende jihadistische Terrororganisation darstellte und ein islamistisches Regime in islamischen Ländern anstrebte, war sie zuletzt vornehmlich regional (Sahelstaaten, Westafrika, Indien) aktiv. In Deutschland ergaben sich in der Vergangenheit vereinzelt Hinweise auf Personen, die über lose Ver-bindungen zu „al-Qaida“ beziehungsweise ihren Regionalablegern verfügten.
Es ist vor allem der IS, der weiter von hoher Relevanz für die Gefährdungslage in Deutschland ist. Ohne sein ehemaliges Kerngebiet in Syrien und Irak rücken verstärkt regionale IS-Ableger, deren Aktivitäten und Anziehungskraft nicht mehr nur regional beschränkt sind, in den Blickpunkt. Anschläge auch außerhalb ihrer eigentlichen Kernregionen verschaffen diesen Ablegern höheres Ansehen auch in Konkurrenz mit anderen Organisationen und erhöhen den politischen Druck auf staatliche Akteure vor Ort.
Der IS erhebt einen globalen jihadistischen Führungs-anspruch und ist transnational ausgerichtet. Die Gefahr von Attentaten durch vom IS inspirierte Einzeltäter und Kleinstgruppen ist sowohl in islamischen Ländern als auch im Westen anhaltend hoch. Die zahlreichen Anschläge, die im Namen des IS und seiner Regionalableger begangen wurden, verdeutlichen den „Erfolg“ des IS.
Für Europa scheint der „Islamische Staat Provinz Khorasan“ (ISPK) weiter der relevanteste IS-Regionalableger zu sein. Seine Aktivitäten, insbesondere auch die Propaganda, gehen weit über seine regionale Basis in Afghanistan hinaus und sind explizit auch auf Europa gerichtet. Mehrfach nahm der ISPK in seiner Propaganda Bezug auf den Anschlag in Solingen (Nordrhein-Westfalen) und drohte Deutschland explizit mit Anschlägen.
Weitere islamistisch-terroristische Gruppierungen
Islamistisch-terroristische Organisationen wie die libanesische „Hizb Allah“ und die palästinensische HAMAS verneinen das Existenzrecht des Staates Israel und rufen zu dessen gewaltsamer Beseitigung auf. Dabei sind sie auf ihre Herkunftsregionen fokussiert und wenden schwerpunktmäßig dort terroristische Gewalt an.
Sie verfügen in Europa und auch in Deutschland über eine Anhängerschaft, deren Aktivitäten von Sympathiebekundungen und Propagandaaktivitäten bis hin zu Finanzierungs- oder Spendensammelaktivitäten reichen, was zur Stärkung der Kernorganisationen im Ausland führen soll.
Infolge des Nahostkonflikts kam es zu einer Intensivierung und Ausweitung der Aktivitäten von HAMAS und „Hizb Allah“ auch in Deutschland. Dies trägt insbesondere zu einer abstrakt erhöhten Gefährdung israelischer und jüdischer Ziele bei.
Beide Organisationen sind in Deutschland mit einem Betätigungsverbot belegt.
Betätigungsverbot gegen die „Hizb Allah“
Mit Verfügung vom 26. März 2020 hat das Bundesministerium des Innern gegen die schiitische Terrororganisation „Hizb Allah“ ein Betätigungsverbot erlassen, das am 30. April 2020 öffentlich verkündet und umgesetzt worden ist. Die Tätigkeit der Vereinigung „Hizb Allah“ (deutsch: „Partei Gottes“, auch „Hisbollah“, „Hezbollah“ oder „Hizbullah“) läuft Strafgesetzen zuwider und richtet sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung. Im Zusammenhang mit der öffentlichen Bekanntgabe des Betätigungsverbots kam es zu Durchsuchungen in 15 Objekten in Berlin, Bremen und Nordrhein-Westfalen. Die Durchsuchungen dienten dem Zweck, Beweismittel für mögliche Teilorganisationsverbote gegen die Vereine aufzufinden.
Betätigungsverbot gegen die HAMAS
Mit Verfügung vom 2. November 2023 hat das Bundesministerium des Innern die Betätigung der palästinensischen Terrororganisation HAMAS verboten. Die Tätigkeit der terroristischen HAMAS läuft den Strafgesetzen zuwider und richtet sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung. Zudem beeinträchtigt und gefährdet die Tätigkeit der HAMAS sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland. Mit dem Verbot sind sämtliche Aktivitäten für die terroristische HAMAS verboten. Dies beinhaltet neben dem Verbot des öffentlichen Verwendens von Kennzeichen der Organisation auch das Verbot entsprechender Unterstützungshandlungen, wie etwa Finanzierungsaktivitäten oder die Aufrechterhaltung oder Gründung von organisierten Strukturen der Organisation.
Nach Einflussnahme im politischen Raum strebende Gruppierungen
Andere Organisationen versuchen, über politische und gesellschaftliche Einflussnahmen eine nach ihrer Interpretation islamkonforme Ordnung durchzusetzen. Dabei zielen sie auf eine langfristige Änderung der Gesellschaft ab und verfolgen dieser Strategie entsprechend eine Durchdringung der Gesellschaft. Ihr Ziel ist die perspektivische Errichtung eines auf der Scharia basierenden gesellschaftlichen und politischen Systems.
Zu diesen Gruppierungen zählen zum Beispiel der „Muslimbruderschaft“ nahestehende Organisationen, schiitische Vereine wie das „Islamische Zentrum Hamburg e.V.“ (IZH) und unterschiedliche Gruppierungen der „Millî Görüş“-Bewegung.
Verbot des „Islamischen Zentrums Hamburg e.V.“ (IZH)
Das Bundesministerium des Innern hat am 24. Juli 2024 das „Islamische Zentrum Hamburg e.V.“ (IZH) mit seinen bundesweiten Teilorganisationen verboten, da es eine extremistische Organisation des Islamismus ist, die verfassungsfeindliche Ziele verfolgt. Bei den Teilorganisationen handelt es sich um die „Islamische Akademie Deutschland e.V.“, den „Verein der Förderer einer iranischen-islamischen Moschee in Hamburg e.V.“, das „Zentrum der Islamischen Kultur e.V.“ in Frankfurt (Main), die „Islamische Vereinigung Bayern e.V.“ in München und das „Islamische Zentrum Berlin e.V.“. Das Vermögen wurde beschlagnahmt.
Das IZH war ein bundesweit tätiger Verein. Sein Zweck und seine Tätigkeit richteten sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung des Grundgesetzes sowie gegen den Gedanken der Völkerverständigung. Zudem liefen sie den Strafgesetzen zuwider, ebenso wie den völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland. Außerdem förderten sie Bestrebungen außerhalb des Bundesgebiets, deren Ziele beziehungsweise Mittel mit den Grundwerten einer die Würde des Menschen achtenden staatlichen Ordnung unvereinbar sind (siehe Artikel 9 Absatz 2 Grundgesetz in Verbindung mit § 3 Absatz 1 Satz 1 Vereinsgesetz beziehungsweise § 14 Absatz 2 Nr. 2 und 3 Vereinsgesetz).
Das IZH verbreitete als direkte Vertretung des iranischen „Revolutionsführers“ die Ideologie der sogenannten „Islamischen Revolution“ in der Bundesrepublik Deutschland in aggressiv-kämpferischer Weise und wollte diese auch verwirklichen.
Sich abgrenzende Organisationen

Diese islamistischen Gruppierungen greifen gezielt aktuelle gesellschaftliche und politische Themen auf und schaffen so einen Zugang zu islamistischen Narrativen.
Damit soll Muslimen eine „Opferrolle“ gegenüber einer angeblichen deutschen „Wertediktatur“ zugeschrieben werden. Die ideologischen Übergänge zum Salafismus sind dabei zum Teil fließend.
So sind beispielsweise die Gruppierungen „Botschaft des Islam“, „Generation Islam“, „Muslim Interaktiv“ und „Realität Islam“, die eine ideologische Nähe zu der in Deutschland seit 2003 mit einem Betätigungsverbot belegten „Hizb ut-Tahrir“ aufweisen, propagandistisch außerordentlich aktiv.
Antisemitismus im Islamismus
Antisemitismus ist ein wesentliches ideologisches Element aller islamistischen Strömungen. Die überwiegende Mehrheit der in Deutschland aktiven islamistischen Organisationen hegt antisemitisches Gedankengut und verbreitet es auf unterschiedlichsten Wegen. Dies stellt eine erhebliche Herausforderung für das friedliche und tolerante Zusammenleben in Deutschland dar.
Dabei wird der Nahostkonflikt von islamistischen Organisationen und Gruppierungen im Rahmen ihrer Kommunikation immer wieder genutzt, um zur Agitation und Mobilisierung zu instrumentalisieren. Zumeist geschieht dies durch antisemitische Deutungen der Geschehnisse, die mit islamistischen Ideologiefragmenten verknüpft werden. Für die Agitation der HAMAS ist der Nahostkonflikt das zentrale und fortwährende Thema. Aber auch Jihadisten, Salafisten und andere islamistische Organisationen, für die jüdische Menschen eines von vielen Feindbildern sind, greifen den Nahostkonflikt als Agitationsthema auf, und zwar immer dann, wenn eine allgemeine gesellschaftliche Relevanz des Themas vorliegt, das heißt viele Menschen potenziell für das Thema ansprechbar sind. Dieses Kalkül wird nur so lange verfolgt, bis andere Themen den öffentlichen Diskurs bestimmen und als Agitationsthemen entsprechend besser geeignet erscheinen.
In der jüngeren Vergangenheit wurde einmal mehr deutlich, dass Antisemitismus (insbesondere in Ver-bindung mit dem seit Jahrzehnten anhaltenden Nahostkonflikt) auch in Deutschland ein besonders starkes Emotionalisierungs- und Mobilisierungspotenzial aufweist, welches sich islamistische Akteure zunutze machen.
Auch zukünftig werden die Entwicklungen im Nahen Osten islamistischen Einzelpersonen und Organisationen in Deutschland ein hohes Mobilisierungspotenzial bieten und können zu einem Anstieg antisemitischer Vorfälle führen.