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Erfahrungsbericht einer Quereinsteigerin in der Auswertung.

Blick von hinten auf eine Frau an einem Schreibtisch. Sie hat einen Stift in der Hand und vor ihr liegen ein Notizbuch und einen Gesetzestext.

In diesem Interview erfahren Sie von Vivian, wie sich ihr Arbeitsalltag als Quereinsteigerin in der Auswertung beim Bundesamt für Verfassungsschutz gestaltet.

Wie bist du darauf gekommen, dich beim Bundesamt für Verfassungsschutz zu bewerben?

Während meines Master-Studiums der Kulturwissenschaften war ich als Werksstudentin in einem universitären Forschungsprojekt beschäftigt. Dann kam die Corona-Pandemie und ich musste erfahren, dass meine Arbeit offenbar keine große Systemrelevanz, wie man damals ja sagte, hatte. Denn mein Arbeitsvertrag wurde nicht verlängert. Meine Pläne, zu promovieren und im Bereich der Kulturforschung zu arbeiten, habe ich deshalb verworfen.

Da ich mich während meines breit angelegten Studiums immer wieder mit großem Interesse in die politikwissenschaftlichen Vorlesungen gesetzt habe, und weil ich fasziniert verfolgte, welche heftigen politischen Diskurse und gesellschaftlichen Verwerfungen die Corona-Pandemie plötzlich auslöste, empfahl mir meine Schwester, einmal bei ihrem eigenen Arbeitgeber nach Stellen Ausschau zu halten: dem Bundesamt für Verfassungsschutz.

Und tatsächlich gab es damals gerade eine passende Ausschreibung für Geisteswissenschaftler, auf die ich mich mit meinem Bachelor-Abschluss bewerben konnte. Während des Auswahl- und Einstellungsprozesses hatte ich dann ausreichend Zeit, um auch noch meine Master-Arbeit abzuschließen. Also eigentlich war die Corona-Pandemie ein entscheidender Auslöser für meine berufliche Umorientierung und den Quereinstieg im BfV.

Wie sehen deine Arbeit und ein typischer Arbeitstag aus?

Ich arbeite in der Auswertung im Bereich internationaler Vernetzungen gewaltorientierter Linksextremisten. Als Auswerterin habe ich insofern eine tägliche Routine, als dass ich morgens erstmal den neuen Input sichte, der zu den von mir bearbeiteten Operativ-Fällen aus den verschiedensten Quellen reingekommen ist. Dabei kann es sich um Informationen aus offen zugänglichen Quellen wie Presseartikel oder Fundstellen im Internet (OSINT) handeln oder auch um nachrichtendienstliches Informationsaufkommen, wie zum Beispiel Lagemeldungen oder Protokolle. Diese vielen verschiedenen Info-Schnipsel priorisiere ich, setze sie wie kleine Puzzleteile zusammen und erstelle zu den gewonnenen Erkenntnissen Vermerke, Berichte oder kurze Analysen.

Wenn mir bestimmte entscheidende Informationen fehlen, überlege ich, oft gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen der Beschaffung, welche Maßnahmen sich zur weiteren Informationsgewinnung einleiten lassen. Das kann dann zum Beispiel eine konkrete Befragung, eine Observation oder im äußersten Fall auch die Beantragung einer G-10-Maßnahme sein. Natürlich müssen diese Maßnahmen stets angemessen und verhältnismäßig sein. Die Prüfung dieser Verhältnis- und Rechtmäßigkeit nimmt einen großen Teil meiner Arbeitszeit ein. Dennoch gab es in meinem Job auch schon den ein oder anderen kurzen „Agentenmoment“, in dem ich mich ein ganz kleines bisschen wie im Film gefühlt habe. Darauf kann ich an dieser Stelle aber natürlich nicht näher eingehen.

Da mein Referat für international vernetzte Linksextremisten zuständig ist, kommuniziere ich auch regelmäßig mit ausländischen Partnerdiensten. Dieser Austausch von Erkenntnissen erfolgt per Telefon, auf dem Schriftweg, per Videokonferenzen oder auch auf internationalen Tagungen und Konferenzen. Daher bin ich gelegentlich auch auf Dienstreisen im Ausland unterwegs. Eine Sache, die mir an meinem Job richtig gut gefällt. Im vergangenen Jahr war ich sogar besonders viel unterwegs, weil ich erstmals eine Joint Operation betreut habe. Das ist eine gemeinsame Fallführung mit einem ausländischen Nachrichtendienst.

Wie ist dein Quereinstieg gelaufen?

In meinem Team sind viele Politikwissenschaftler/-innen, aber auch einige, die wie ich einen fachfremden Studienabschluss haben. Deshalb bin ich als Quereinsteigerin überhaupt keine Exotin oder so. Ich würde sagen, dass ich sehr schnell reingekommen bin in die Themen. Einfach, weil sie mich sehr interessieren und weil ich mich auch grundsätzlich gern in neue Dinge einarbeite. Hinzu kamen natürlich jede Menge sehr intensive Grundlagen-Schulungen und -Lehrgänge.

Sicherlich gab es dabei auch die ein oder andere größere Herausforderung für dich?

Das ist jetzt keine wirkliche Herausforderung, weil ich generell gerne kommuniziere. Aber ich habe schnell gemerkt, dass es wichtig war und auch immer noch ist, proaktiv Wissen einzufordern und auch immer wieder bei bestimmten Themen und Fragestellungen nachzuhaken. Kommunikationsfähigkeit und auch Eigeninitiative sind in meinem Job generell sehr wichtig. Und am Anfang braucht man etwas Geduld. Denn bis man so weit ist, eigene Operativ-Fälle zu bearbeiten, dauert es natürlich etwas.

Was treibt dich in diesem Job an und motiviert dich?

Ich finde meine Arbeit super sinnvoll und auch irgendwie einzigartig. Denn wo sonst kann man in diesem Maße aktiv dazu beitragen bestimmte Gefährdungslagen zu verhindern? Außerdem bin ich ein Krimi- und True-Crime-Podcast-Fan. Meine tägliche „Detektivarbeit“ und die Entwicklung von verschiedenen möglichen Szenarien auf Grundlage unterschiedlichster Informationen mag ich daher gern. Dazu kommt, dass ich gerne schreibe. Und das ist auch ein wichtiger Aspekt meiner Arbeit, der einfach gut zu mir passt.

Wenn du deine Arbeit in drei Wörtern zusammenfassen müsstest, wie würden die lauten?

Dynamisch, spannend, komplex.

Zum Schluss noch ein Tipp aus erster Hand: Was würdest du Quereinsteigerinnen u nd Quereinsteigern grundsätzlich raten?

Man sollte sich auch als Quereinsteiger/ -in nicht davon abschrecken lassen neue Herausforderungen zu suchen und seine externen Expertisen gewinnbringend in die bestehenden Strukturen und Prozesse einzubringen.